piwik no script img

SportBochum lässt Hertha gewinnen

Die Berliner schlagen den VfL Bochum mit 2:0. Auf den Sieg kann sich Hertha aber nichts einbilden: Der erste Treffer ist ein Eigentor, Chancen sind Mangelware.

Bochum gegen Bochum - Hertha gewinnt Bild: AP

In der fast leeren Sonder-S-Bahn zum innerschweizerischen "Gletschergipfel" (BZ) zwischen den Trainern Lucien Favre und Marcel Koller sitzen Kinder mit Hertha-Schal. Ihre Akademikerväter schminken sie und sind fröhlich: Wie sich schwer beschäftigte Familienpapis eben freuen, wenn sie Ausgang haben. "Bald", sagt der eine Sohn, während er bemalt wird, "ziehen wir nach München - dann werde ich natürlich Bayern-Fan". Der Knabe wirkt erleichtert.

Solche Szenen machen einmal mehr deutlich, dass das Gerede von einem sich angeblich zur hippen Mitte der Hauptstadtgesellschaft hin bewegenden Hertha-Image nur dummes Geschreibe von gelangweilten Stadtzeitungsredakteuren ist. Die sind sich zur Illustration ihrer Biertischidee dann auch nicht zu schade, den letzten zugezogenen Schwaben auf Anbiederungskurs ins Blatt zu hieven. Hertha wird auf absehbare Zeit so prollig bleiben wie Klaus Wowereit und so glamourös wie Spandau.

Schadet ja auch nichts: Als neutraler Zuschauer ist man zufrieden, wenn Lucien Favre die Bemühungen fortsetzen darf, seinen Spielern den hilflosen Rückpass zum Torwart abzugewöhnen. Erfolge sind hier nicht zu übersehen - wie überhaupt die Herthaner beim ungefährdeten 2:0-Sieg gegen Bochum in der Abwehr eine fast schon souveräne Leistung boten. Vorne liegt das Problem - und vorne beginnt mit Jaroslav Drobnys gefühlte Minuten lang durch die Luft trudelnden, unterschnittenen Abschlägen.

In den ersten 20 Spielminuten schien es so, als könne der VfL die Serie von sieben Spielen ohne Sieg zumindest mit einem torlosen Remis fortsetzen. Man sei da gut gestanden und habe nichts zugelassen, fasste Bochum-Coach Koller diese immerhin gekonnt-destruktive Phase später zusammen; auch die Pfiffe für Hertha aus den Reihen der 34.580 Besucher - darunter ein Häuflein fröhlicher Bochumer - im Olympiastadion hatten er und seine Mannschaft sehr wohl gehört.

Ein schönes Spiel ergab sich allerdings schon da nicht. Hertha stand unter Druck, hatte man doch vorab Endzeitstimmung verbreitet. Man habe Angst vor dem Spiel gehabt, gestand Trainer Favre.

Es war dann der Bochumer Kapitän Marcel Maltritz, der in der 26. Minute nach Flanke von Gilberto den Ball wie unter Drogen ins eigene Netz beförderte - von Marcel Koller glasklar als "individueller Fehler" gebrandmarkt. Maltritz gestand den auch ein. Er verwies allerdings zu seiner Entlastung überzeugend darauf, dass seine Mannschaft in 90 Minuten keine einzige Torchance herausspielte.

Als Herthas Marko Pantelic nach weitem Zuspiel von Arne Friedrich in der 35. Minute abgebrüht das 2:0 machte, stand Bochum endgültig so komplett neben sich, dass die Berliner außer den drei Punkten wenig weiterführendes aus dieser schlechten Bundesligapartie mitnehmen können. Sorgen macht man sich allerdings, wenn Coach Lucien Favre im Anschluss eine "sehr gut organisierte" Bochumer Abwehr gesehen haben wollte; verwegen wurde es, als er von gefährlichen Kontern der Gäste in der zweiten Hälfte sprach, während die Statistik ihnen doch "Torschüsse: null" bescheinigte.

Dabei zeigt sich Hertha nach dem Seitenwechsel in der aggressiven Spiellaune, die man eigentlich von den Bochumern erwartet hätte. Tore können allerdings nicht fallen, wenn der zum neuen Star hochgejubelte, nicht untalentierte Patrick Ebert und der bemühte Tobias Grahn in Überzahlsituationen von drei möglichen Anspielen immer das falsche wählen; oder wenn ein beherzt marschierender und sich vehement anbietender Arne Friedrich einfach in der Luft hängen gelassen wird.

Hertha hätte deutlich höher gewinnen müssen, und es stimmt bedenklich, dass Manager Dieter Hoeneß die Abschlussschwäche seiner Mannschaft mit der Cleverness der Bayern bei der Ergebnisverwaltung in Beziehung setzte. Zu sehen war am Sonnabend Unterspandau gegen Oberspandau.

Dafür gehört Vati am Wochenende seinem Sohn und muss keine Sonderschichten einlegen, um die Münchner Mieten zu bezahlen. Auch in diesem Sinn behält Berlin hoffentlich noch lange die Hertha, die es verdient.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!