Splatterfilm „Evil Dead“: Höher, schneller, zersägter
Mit viel Aufwand wurden die Waldhütte schön morsch, die Kloschüsseln keimig und der Wald moosig gemacht. Und dann wird die Sau rausgelassen.
Splatterfilme, haben wir nach viel Seminarlektüre und Subtextanalyse gelernt, bergen durchaus zeitdiagnostisches Potenzial. Als Metaphern und Allegorien berichten sie vom Stand der Dinge, arbeiten mit an unserem Bild vom Körper und dessen fluiden Grenzen und bergen zudem noch subversives Potenzial, indem sie etwa Gender-Shiftings aus der Buchstabentheorie heraus in die Konkretion des blanken Fleisches hieven.
Und dann gibt es die Splatterfilme, die einfach nur die Sau rauslassen, ihrer Lust an Stumpf und Gekröse so lange mit Wonne frönen, bis der Hackepeter angerichtet ist. Das sind entweder die richtig miesen, weil dümmlich auf lustig getrimmt, oder die richtig guten, da sie einem als blankes Affektkino ganz existenziell die Pumpe gehen lassen. Im Gestus durchaus kunstfern, aber als simulativ-stimulative Reizattacke in einer, ja glücklicherweise, recht reizattackenfreien Welt durchaus zu gebrauchen.
„Evil Dead“, Fede Alvarez’ Remake von Sam Raimis hierzulande wegen eines blödsinnigen Totalverbots lange Zeit berüchtigtem „Tanz der Teufel“, schlägt sehr herbe in diese zweite Kategorie: Der nur im Detail abgewandelte Minimal-Plot – junge Leute verbringen einige Tage in einer entlegenen Waldhütte, wo sie versehentlich einen Dämon heraufbeschwören – lässt noch immer genügend Raum für effektives Gruseln vor in der Tat atmosphärisch gediegener Kulisse.
Viel Aufwand wurde betrieben, um die Waldhütte schön morsch, die Kloschüsseln schön keimig, den Wald schön moosig und schließlich – Königsdisziplin – die Make-up-Effekte schön schmierig hinzukriegen.
Kaum Computereffekte!
Was bei Raimi noch sanft den Charme des Selbstgebastelten versprühte, erfährt bei Alvarez einen signifikanten Modernisierungsschub und reizt das technische Machbare der Schmink- und Prothesenkunst – kaum Computereffekte! – deutlich aus. Das Ergebnis überzeugt daher vor allem sportlich: Höher, schneller, zersägter, blutiger – Grand-Guignol-Athletik vom Feinsten. Für den Kenner liefert er zudem noch schöne Referenzen ans Original mit.
Dass sich am Ende dann doch noch ein überraschender Schuss Gender-Subversion unter Blut und Beuschel hebt, tröstet schließlich auch noch etwas darüber hinweg, dass eine einst randständige, der Subkultur nahe Ästhetik heute aus dem Herzen des Mainstreams – Verleih: Sony – in die Multiplexkinos blutet.
„Evil Dead“. Regie: Fede Alvarez. Mit Jane Levy, Shiloh Fernandez u. a. USA 2013, 91 Min. Filmstart Donnerstag, 16 Mai 2013.
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