Spionageverdacht in Norwegen: Hier wird mitgehört
In Oslos Regierungsviertel wurden falsche Mobilfunkstationen entdeckt. Sie gehören zu keinem Provider. Wer spioniert hier also?
STOCKHOLM taz |„Wir haben entsprechende technische Indikationen gefunden“, bestätigte der Chef der operativen Abteilung des norwegischen Zivilschutzes (NSM) Meldungen über offenbar umfassende Versuche zur Ausspionierung des mobilen Telefon- und Datenverkehrs im Regierungs- und Bankenviertel Oslos.
Es war die Tageszeitung Aftenposten, die Ende vergangener Woche erstmals über die vermutete Lokalisierung von sogenannten Imsi-Catchern berichtet hatte: Geräte, die sich gegenüber Handys wie eine Mobilfunkbasisstation verhalten, worauf die sich dort einloggen, was den Betriebern der Imsi-Catcher unter anderem das Mithören ermöglicht.
Imsi-Catcher werden normalerweise von Strafverfolgern und Nachrichtendiensten eingesetzt. Im September hatte die Washington Post über eine Reihe dieser falschen Basisstationen berichtet, denen man in der US-Hauptstadt mithilfe von Messgeräten auf die Spur gekommen war. Was Aftenposten veranlasste, auch in Oslo eine Firma mit solchen Messungen zu beauftragen – und prompt fündig wurde.
Die norwegische Polizei und die Staatsschutzbehörden des Landes haben versichert, nichts mit den Fake-Basisstationen zu tun zu haben. NSM teilte mit, man nehme „routinemäßig“ selbst immer wieder Ortungen nach Imsi-Catchern vor, zeigte sich aber von dem jetzt offenbar gewordenen Umfang deren Einsatzes überrascht. Laut Aftenposten sind avancierte Modelle dieser Geräte, wie man sie beispielsweise in der Nähe des Dienstsitzes der Ministerpräsidentin geortet hat, zum Preis von mehreren Zehntausend Dollar auf dem Schwarzmarkt erhältlich.
Konferenz gegen die Schutzlosigkeit
Für Dienstag haben die NSM Telekomgesellschaften und verschiede Sicherheitsbehörden zu einer Konferenz geladen, um über verbesserte Schutzmaßnahmen zu beraten. Doch „im Prinzip gibt es da so gut wie gar keinen Schutz“, meint Leif Nixon, Sicherheitschef des Datenzentrums der schwedischen Universität Linköping: „Und darüber sollten wir sehr beunruhigt sein.“
Erste Banken und Anwaltsbüros in der Osloer City haben mittlerweile Konsequenzen gezogen: Dort wird in Zukunft bei „sensibler Kommunikation“ grundsätzlich auf mobilen Telefon- und Datenverkehr verzichtet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen