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Archiv-Artikel

Spielplätze (13) Und der Mond schimmert über dem Feld

FUSSBALLGUCKEN Niederlande gegen Kamerun im Tempelhofer Park

Spielplatztest

Ort: Biergarten im Tempelhofer Park, links hinter dem Eingang am Columbiadamm.

Sicht: Bei Deutschlandspielen wird es richtig eng. Auf der Leinwand wird die Sicht besser mit der Dunkelheit.

Kompetenz: Am Donnerstag waren die Kenner den Ausflüglern unterlegen. Bei „großen“ Spielen ist es andersherum.

Nationalismus: Dezent. Die Betreiberpräferenz aber ist klar: Hinterm Grill hängt eine Deutschlandfahne.

Wurst: Bratwurst 2,50 Euro, 0,5er Weizen 3,50 Euro. Es gibt auch Salate, hausgemachtes Eis (Kugel 1 Euro), Rharbarberschorle, Rosinenbomber-Muffins und 2-Personen-Picknick-Körbe für 18,90 Euro.

Es wuselt noch ordentlich auf dem Tempelhofer Feld an diesem Donnerstagabend. Kiteskater, Fahrräder, Inlineskater, Kinderwagen schieben sich in geordnetem Kreuz und Quer über die ehemaligen Landebahnen. Am Rand, im Biergarten hinterm Eingang am Columbiadamm, wuselt es weniger. Eine große Leinwand ist hier unter den Lindenbäumen aufgebaut, rechts und links auf dem Rasen daneben gibt es drei Flachbildschirme. Auf den Liegestühlen fläzen sich die hartgesottenen WM-Allesgucker.

Es sind keine großen Knaller, die heute auf dem WM-Plan stehen. Die Niederlande sind schon weiter, Kamerun ist schon draußen. Und Japan und Dänemark fehlen hier die großen Fan-Crowds. Immerhin drei orange geschmückte Holland-Fans sitzen hinter den WM-Enthusiasten auf den Bierbänken. Der Rest wird von Fahrrad- und Inline-Ausflüglern aufgefüllt, die hier zum Tagesabschluss einkehren. Am Vortag, als Deutschland gegen Ghana spielte, saßen die Menschen hier noch dicht an dicht. Und trotzdem kamen immer mehr Neuköllner mit Klappstühlen, um diese zwischen die Liegestühle zu quetschen.

Heute überwiegt die Gemütlichkeit. An einem Biertisch wird Schach gespielt, an einem zweiten Zigarillo gepafft. Auf der anderen Seite des quadratischen Biergartenhauses guckt eine weitere Fraktion Japan gegen Dänemark. Ein Badmintonspieler eilt bei jedem Treffer vor den Bildschirm. Eine Studentin verteilt handgeschriebene Flyer zu einer Casting-Einladung – es könnte auch Kunst sein. Und ein Graugelockter fällt aus dem Rahmen, als er in seine schwarz-rot-goldene Tröte tutet. Er kichert über seinen Spaß.

Als Kamerun das Ausgleichstor gegen die Niederlande erzielt, wird es doch noch mal laut. Hier liegen also die Sympathien. „Wer ist denn der alte Typ?“, fragt ein Anfangzwanziger bei der Robben-Einwechslung. „Der ist 26, Mann“, schüttelt der sachkundige Nachbar den Kopf. „Robben hat gerade die Saison seines Lebens gespielt. Den musste doch kennen.“ Andere haben ihre Liegestühle schon in Richtung der Sonne gerichtet, die in sattem Orange hinter dem alten Tower untergeht. Auch an den Tischtennisplatten ist noch einiges los. Kellen kann man bei den Biergartenmitarbeitern ausleihen. Die sind leicht zu erkennen, weil sie Pilotenmützen und weiße Hemden mit Schulterklappen oder blaue Stewardessuniformen tragen. „Viel zu heiß, obwohl ich schon nen Rock anhab“, stöhnt die Frau hinter der Kasse.

Früher, als der Flughafen noch Flughafen war, barbecueten hier im Biergarten schon die Amis ihre Burger. Das Haus sei Original, das Interieur neu, sagt der polnische Mitarbeiter hinter dem Grill. Man habe vor der Sanierung noch alte Whiskeyflaschen gefunden.

Das Biergartenpersonal macht zum Aufräumen Electro an

Irgendwann sind die Spiele vorbei, Niederlande und Japan weiter. Ob das jetzt gut oder schlecht ist, wird nicht recht deutlich. Das Biergartenpersonal macht sich zum Aufräumen Electro an. Zwanzig Minuten nach Abpfiff werden auch die Bildschirme ausgeknipst. Erst jetzt merkt man, wie dunkel das riesige Flugfeld vor einem ist. Seit 22.30 Uhr ist es eigentlich auch geschlossen.

„Wir schmeißen hier niemanden raus“, sagt der Pole. „Aber die Securities?“ Er zieht die Augenbrauen hoch. „Unglaublich nicht-nett.“ Dann lieber nach Hause radeln – fast allein über die dunklen, stillen Bahnen des Flugfeldes. Ein letzter Grilltrupp zieht mit Bollerwagen gen Ausgang. Ein betrunkener Radfahrer klatscht auf den Asphalt, rappelt sich wieder auf. Am Zaun wachen schweigend zwei graue Sicherheitsmänner, dass keiner mehr reinkommt. Und der Mond schimmert über dem leeren Feld. KONRAD LITSCHKO