: Spiele für eine starkes Stück Deutschland
Die Universiade, Sport-Weltfestspiele der Studierenden in Duisburg: eine Aktion zum Aufpeppen des Stahlstadt-Images / Der aufgestiegene MSV freut sich / Kritik hat keinen Platz ■ Von Thomas Meiser
Das Wichtigste zuerst: Die Toten Hosen würden auftreten. Und zwar ohne Geld, weil ihnen, den Sportsfreunden, das Dabeisein alles ist. Nur dann allerdings, wenn eine Auswahl der Revier-Oberbürgermeister gegen sie und ihre Kumpels während der Universiade (22. bis 30. August) öffentlich Fußball spielt. Unklar ist noch, ob der Duisburger Oberbürgermeister seine Lieblingsposition spielen wird - als Abstauber.
Dies wäre auch gar nicht erforderlich, denn Josef Krings, natürlich SPD, hat seinen Ruhm als uneigennütziger Abzocker von Knete fürs Städel mit einem speziellen Deal schon genug gefestigt. In einem Mitte März in Sao Paulo, Duisburg, Düsseldorf und Bonn ausgetragenen Pokerspiel gelang es ihm und den Seinen, die Universiade, die Welt-Sportfestspiele der Studierenden, für Duisburg zu krallen. Die Evangelisten unter den Ruhrgebiets-Sozialdemokraten handeln den Tatbestand schon jetzt als das Credo an den dreieinigen Gott: Strukturwandel, positives Image und Kommerz-Kultur erlösen das Revier aus seiner Agonie, lassen es wiederauferstehen als High-tech-Zentrum durch Nixdorf und als Food-Town mit McDonald's.
Aus dem Evangelium: Und es begab sich also zu jener Zeit, da Sao Paulo, die brasilianische Stadt, in der die Universiade ursprünglich hätte abgehalten werden sollen, merkte, daß sie so pleite ist wie ein Langzeitarbeitsloser, der sich auf Blüm verlassen hat. Dieses merkte auch Juan Samaranch, der greise Führer der Olympischen Bewegung. Wer, so fragte sich Samaranch, springt auf das olympische Motto „Dabeisein - da lohnt sich alles“ am ehesten an? Die Antwort gab ihm wohl sein Ex-Vize Berthold „Krupp“ Beitz, der ausgewiesene Ruhrgebietsfreund: Der Rau und sein starkes Stück Deutschland, das Revier, die haben es nötig. Denn die Region der dichtgemachten Hütten und abgesoffenen Zechen braucht, wenn schon kein Brot da ist, Spiele: Und damit war Duisburg im Spiel, verfügt die Stadt doch als einzige der um die univerisiadelle Gunst buhlenden Ruhrgebietskommunen über die notwendige Infrastruktur in Sachen Sportstätten.
Besonders stolz scheinen die Fans der Duisburger Univerisiade GmbH, die nach alter olympischer Sitte flugs gegründet wurde, auf die Geschichte des Wedau-Stadions und die Regattabahn zu sein. Ein von der GmbH verfertigtes PR -Traktat preist das spezifische Flair dieser Sportstätten: „Bereits 1936 bestand die Regattabahn mit der Ausrichtung der Kanu-Europameisterschaften ihre erste große Bewährungsprobe. Das Wedau-Stadion war schon Veranstaltungsort für die verschiedensten Sportarten. 1935 war die Arena sogar Schauplatz eines Box-Länderkampfes.“
Geld sielt keine Rolle
Jetzt aber, zu demokratischeren Zeiten, freut sich vor allem der in die zweite Bundesliga wiederaufgestiegene MSV über den rastlosen Ausbau des Wedau-Stadions, indem während der Universiade die Leichtathletik abgehalten wird. „Geld spielt keine Rolle“, sagt Duisburgs Oberstadtdirektor Richard Klein, natürlich SPD, zu alledem.
Fürwahr, und auch deshalb wirkt das Lifting der Stadt bisweilen skurril: „Feuchtigkeit dringt zunehmend ins innere der Einrichtung“, meint der Sportausschuß zu den Toiletten des Wedau-Stadions. Also muß die „Toilettenanlage, die aus Bedarfsgründen nicht aufgegeben werden kann“, erneuert werden. „Die Kosten belaufen sich auf 190.000 DM.“ Und: „Mit der farbigen gestaltung des Wedau-Stadions ist ein Farbberater beauftragt worden. Für das Notwendigste an Beschilderung sind 60.000 DM einzukalkulieren.“
Von der Flaniermeile der Stadt werden sogar die Kaugummis gezupft, der Bahnhofsvorplatz des häßlichsten IC-Bahnhofs der BRD entspricht diesem zur Zeit durch seinen Baustellen -Zustand, und entlang der in die Stadt führenden Autobahnzufahrten schneiden sie das Gestrüpp in Form. Die „notwendigen Ausgaben“ erleichtern die Stadtkasse nicht, für ihre Willigkeit forderte die Stadt das Maximum: „Die Finanzierung der gesamten Veranstaltungskosten durch Dritte müßte sichergestellt werden und die federführende Veranstaltungskompetenz müßte die Stadt Duisburg haben.“
Streit um die Kultur
So geschah es, der Geldstrom floß: 10 Millionen werden allein für das Sportprogramm während des einwöchigen Spektakels rund um die letzte Augustwoche ausgegeben. 1,5 Mio. spendiert der Initiativkreis Ruhrgebiet, das Finanzkartell der Ruhrgebietsunternehmen zur Imagepflege. Dem Kultusministerium ist die Sause ebensoviel wert wie dem Bundesinnenministerium, die Sportsfreunde von Staats wegen legen jeweils drei Millionen dazu. Die klaffende Finanzlücke von 2,5 Millionen sollen durch Sponsoren, Eintrittsgelder und den Verkauf von Fernsehrechten geschlossen werden - ob das so klappt, ist die offene Frage. Der Mitveranstalter der Universiade, der Allgemeine Deutsche Hochschulsportverband (ADH), schon bei den SportlerInnen für den Frieden dabei und eher für Breitensportkonzepte gut, weiß angesichts des Profilierungsinteresses der Stadt um seine Einflußchancen. Zwar hat der ADH in Sachen Sportprogramm weitgehend zugestimmt, aber in Bezug auf das kulturelle Rahmenprogramm gab es eine zäh ausgetragene Kontroverse.
Dem ADH, verbündet mit anderen Studentengruppen, paßte ein auf Weisung der Stadt von einem Laden namens Neues Deutsches Theaterinstitut entwickeltes Kulturkonzept nicht. Noch viel weniger paßte den studentischen Gruppen, daß die Stadt auf ihren Geldtöpfen saß wie Dagobert Duck auf seinen Talern. Der Asta der lokalen Gesamthochschule beispielsweise sieht die Haltung der Stadt in Sachen Kulturprogramm als bedenklich an: Ihm wurden kaum Beteiligungsmöglichkeiten zugestanden, und an dem vom Asta propagierten „kritischen Kulturansatz“ - mit der Jugend der Welt auch über Apartheid und Studierende in China zu reden - war die Stadt nicht interessiert.
So werden die vom Land für das Kulturprogramm zusätzlich bereitgestellten 1,5 Millionen in erster Linie von der Stadt für Veranstaltungen, die ihr Montan-Image aufpeppen sollen, hingelegt. Das angestrebte Weltstadt-Niveau sollen Auftritte von Combos wie Manhattan Transfer oder Jeremy Days sichern. Selbst Joe Cocker war sich zu schade für die Universiade. Die mehr als 2.000 Staatsamateure und College-Professionals aus über 80 Nationen, die nur in den Disziplinen Leichtathletik, Basketball, Fechten und Rudern der einschlägigen darwinistischen Tugend frönen, haben nur geringere Chancen zu erleben, wie es im Revier trotz des Strukturwandels wirklich aussieht. Der ADH will eine Talkshow veranstalten, die wohl für etwas Background sorgen wird.
So despektierlich, wie der ADH sein könnte, sind die Duisburger Grünen nie gewesen: „Wer könnte dazu schon nein sagen?“ sprach der Fraktionsvorsitzende Paul Bigalski zur Universiade im Stadtrat. Damit verhält er sich ganz im Sinne des Mottos der Eröffnungsveranstaltung: „Alle in einem Boot“ heißt es, es unterstreicht die Interessensidentität aller um den Strukturwandel Bemühten. Und widmet gleichzeitig das Negativimage Duisburgs um. Duisburg präsentiert sich vor laufenden Kameras als stimmungsfrohe, im Ruhr-Delta gelegene Hafenstadt. 400 Kids, mit Tüchern bewaffnet, symbolisieren auf dem Rasen des Wedau-Stadions ein „Tücherboot“. Weil die Optimalbesetzung für den Moderator, Hans Albers, auch an diesem Abend nicht kann, ist dafür Desiree Nosbusch im Gespräch. Die tanzt dann zu den Märschen der Bundeswehr -Bigband eine Nummer aus Andrew Loyd-Webbers Rollschuh -Endlos-Schleife „Starlight-Express“, dieweil die „Duisburger Welle“ schwappt und schunkelt.
Karl Ridderbusch, der Kammersänger-Nachfolger von Rudolf Schock, singt „Vivat Bruder Johannes„; und wer im Stadion etwa „Rheinhausen“ zu rufen wagt, wird diskret entfernt.
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