"Spiegel" versus Matussek: Lacher im Weltall
Kulturchef Matussek soll angeblich gehen. Droht aus dem "Spiegel" am Ende gar wieder ein durch und durch lesbares Blatt zu werden?
D ie Zeichen aus Hamburg deuten darauf. Bis Montag soll demnach Spiegel-Kulturchef und Deutschland-Dampfschwurbler Matthias Matussek freiwillig seine Demission als Ressortleiter erklären. Sonst werde auch er unfreiwillig seiner Rolle enthoben, heißt es in den dieser Tage heftig rotierenden Magazinkreisen.
Neu ist das kollektive Unglücklichsein in der Spiegel-Kulturredaktion über den Rote-Hosenträger-Träger Matussek dabei beileibe nicht. Beschwerden über den Ressortleiter hatte es zuhauf gegeben, von Abmahnungen ist ebenfalls die Rede. Doch der ursprünglich schon vor zwei Wochen geplante handfeste Durchmarsch war wohl in das Durcheinander um die Entthronung von Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust geraten - des Mannes, der Matussek nach langen Jahren als Korrespondent überhaupt erst in die Spiegel-Redaktion heimgeholt und 2005 zum Kulturchef gemacht hatte. Austs ursprünglich bis 2010 laufender Vertrag soll nun nach dem Willen der mächtigen Mitarbeiter-KG schon nächstes Jahr enden.
Dass der Mann, der mit seinem großkotzig-restaurativen Schlichtnationalismus - jüngstes Werk: "Wir Deutschen. Warum die anderen uns gern haben können" - am Ende die eigene Wiedergeburt als schwarzrotgold-verliebter Romantiker zu zelebrieren versuchte, hat ihm nun nichts mehr genutzt: "Was da im Pop und im Protest Weltkarriere gemacht hat, es wurzelt in der deutschen Romantik", schrieb Matussek vor gut zwei Monaten im Spiegel.
Was gut zu Eckhard Fuhrs Bemerkung überleitet, Matussek posaune eben immer hinaus, was ihm durch die Birne rausche, und er sei insofern ein Typ der New Economy. Genau dies lässt sich nirgendwo so eindrucksvoll betrachten wie in Matusseks höchstpersönlichen Video-Blogs auf Spiegel-Online. Getarnt als "Matusseks Kulturtipp" geht es immer nur um eines, genauer: um einen, um ihn, Matthias Matussek höchstselbst.
Dass da einer müde war, konnte man vielleicht schon in der Ausgabe "Der Streik" vom 14. November (www.spiegel.de/videos) erahnen. Die müde Persiflage auf den Streik der Drehbuchautoren in Hollywood endet mit einem elegischen "und dann bin ich rausgegangen in die kalte Hamburger Novembernacht und hab mir überlegt: Warum bist du da je weggegangen, aus Brasilien, und wurde sehr nostalgisch "
Immerhin dem Berliner Pressepoeten Franz Josef Wagner wird er fehlen. Der hatte schon am Donnerstag in Bild einen vorweggenommenen Nachruf auf Matussek gedichtet: "Er macht aus Goethe einen Witz und aus einem Witz Goethe. () Er ist der Erzähler des digitalen Universums. Unser erster Lacher im Weltall." Und für solche Leute hat man bei Springer ja bekanntlich eine Schwäche.
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