Speerwurf: "Ich will feminin sein"

Christina Obergföll will bei der Leichtathletik-WM in Osaka die Goldmedaille im Speerwurf gewinnen. Als Schwerathletin steht sie unter Dopingverdacht.

"Doping kann ich absolut ausschließen": Speerwerferin Christina Obergföll Bild: dpa

Das einstige zentrale Trainingscamp des DDR-Spitzensports in Kienbaum ist nach der Wiedervereinigung auch für eine Vielzahl von Athleten aus den alten Bundesländern eine feste Adresse geworden. Die derzeit weltbeste Speerwerferin Christina Obergföll von der LG Offenburg kam 1998 das erste Mal in die idyllische Gegend nahe Berlin. Seither ist sie regelmäßig mit ihrem Trainer Werner Daniels ein- bis zweimal im Jahr im Bundesleistungszentrum Kienbaum, das seit dem Untergang der DDR für über 40 Millionen Euro saniert und ausgebaut wurde. Auch zur direkten Vorbereitung auf die Leichtathletik-WM in Osaka (ab Freitag) sind beide in die vierzig Kilometer von Berlin entfernte Großanlage im Kiefernwald am Liebenberger See gefahren, allein schon wegen ihres Lehramtsstudiums (Sport und Englisch) an der Uni Freiburg bleibt Obergföll im Sommer zum Trainieren meist in Deutschland.

Das Verhältnis zu den Speerwurf-Kolleginnen wie Steffi Nerius umschreibt die Überraschungs-WM-Zweite von Helsinki 2005 Obergföll schmunzelnd so: "Das bewegt sich im Rahmen gesunder Konkurrenz." Die um neun Jahre ältere amtierende Europameisterin Nerius von Bayer Leverkusen, die in Athen Olympiasilber gewann, plagt sich derzeit mit Fersensporn-Problemen und kann nur unter Schmerzen trainieren.

Es gibt ein großes, weißgetünchtes Werferhaus in Kienbaum mit riesigen Rolltoren, wo man auch bei strömendem Regen und selbst im Winter problemlos den Speer, Hammer oder Diskus ins Freie schleudern kann. In Obergfölls Heimatstadt Offenburg, in der sie bis zum Abflug nach Osaka noch trainiert hat, gibt es so etwas nicht. "Wir werfen selbst im Schnee."Aber immerhin, so sagt sie, "existieren schon Planungen für einen überdachten Wurfstand." Diesen könnte sie für ein wetterunabhängiges Training daheim dringend gebrauchen. Wenn Obergföll im Kraftraum ist, legt sie beim Kniebeugen schon mal 120 Kilogramm auf, im Bankdrücken schafft sie knapp zwei Zentner. Dennoch ist sie bei 1,75 Meter Körpergröße und 79 Kilogramm Masse kein muskulöses Schwergewicht, auch wenn das jahrelange Krafttraining sichtbare Spuren hinterlassen hat. Ihr definierter Rücken und die Oberarme lassen selbst zahlreiche Männer alt aus sehen.

"Aber ein extremes Kraftpaket nur des Erfolges wegen wollte ich nie werden, sondern ich will schon noch feminin sein", sagt sie, wohlwissend, dass man mit ausgeprägter Schnellkraft und perfekter Technik beim Werfen viel ausgleichen kann. Coach Daniels bezeichnet seine Athletin als "sehr pflegeleicht und selbstständig. Die Arbeit mit einer intelligenten Sportlerin wie Christina ist sehr angenehm." Mit Erfolg hat sie in den vergangenen Monaten ihre Wurftechnik stabilisiert, die Explosivität beim Abwurf erheblich verbessert, von schweren Verletzungen blieb sie bislang verschont. Anstatt die Anzahl der Würfe und Wettkämpfe jährlich zu erhöhen, setzen Trainer und Sportlerin eher auf die Verbesserung der Rumpfstabilität. "Bis Olympia 2012 in London will ich auf jeden Fall noch werfen, wenn ich gesund bleibe", sagt Obergföll. Die Athletin hat ihre Ernährung umgestellt auf eiweißreiche Kost. In einigen Trainingsphasen nimmt sie Sojaextrakte und Kreatin. Hingegen Schokolade, Cola und Alkohol konsumiert sie nur noch selten.

Da sie in diesem Jahr mit ihren beim Europacup im Juni in München geworfenen 70,20 Metern die Weltbestenliste im Speerwurf der Frauen dominant anführt, weit vor der kubanischen Olympiasiegerin und Weltmeisterin Menendez und der Tschechin Spotakova, gerät sie fast automatisch unter Dopingverdacht. Derlei Fragen hat Obergföll in diesem Jahr schon oft beantwortet: "Doping kann ich für mich absolut ausschließen. Solange die Konkurrentinnen nicht plötzlich fünf Meter weiter werfen, kümmere ich mich auch nicht um irgendwelche Gerüchte. Das würde mich nur mental belasten." Daniels, zugleich Landestrainer in Baden-Württemberg, wird da noch deutlicher: "Doper sind angesichts der hohen Siegprämien große Wirtschaftsbetrüger." Doch momentan hat Christina Obergföll nur ein Ziel: Sie will "einen geilen Wettkampf bei der WM in Osaka" absolvieren. Das Speerwurf-Finale ist am 31. August. Trainer Daniels, der starke Mann im Hintergrund, prognostiziert: "Wenn Christina einen perfekten Wurf hat, können wir für nichts garantieren."

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