Sparkurs von Investor Montgomery: Plattmacher der "Berliner Zeitung"

David Montgomery, Eigner der "Berliner Zeitung", hat mit dem Blatt viel vor - nur bezahlen mag er seine Visionen nicht. Ihm sekundiert Chefredakteur Josef Depenbrock.

Viel versprochen, nichts gehalten: Medieninvestor David Montgomery Bild: dpa

Ein Schild hängt am Drucker. Darauf ist zu lesen: "defeckt". Mit ck. Ein Redakteur sagt: "Das ist ein gutes Bild für das, was hier gerade passiert." Der Drucker, sagt er, sei das Bild für die Lücke zwischen Wirklichkeit und dem, was als Anspruch an die Berliner Zeitung formuliert werde.

Der Anspruch ist: ein anderer Journalismus! Besser organisiert! Besser koordiniert! Technisch hochgerüstet! Was David Montgomery, der Eigner der Zeitung, eine Revolution für die Medienbranche nennt, heißt: Internet! In einem Interview, das in der Märzausgabe des Cicero erscheint, sagt er, Journalisten sollten das begreifen - "sonst wird sie diese Revolution entmachten". Er will Redaktionen verzahnen, die bisher getrennt gedacht wurden. Die Chefredakteurin seiner Netzeitung, Domenika Ahlrichs, wurde kürzlich auch zur stellvertretenden Chefredakteurin der Berliner Zeitung ernannt. Im Lauf des Jahres werde jede Redaktion in ein "Content Department" umgewandelt, das gleichermaßen für Print und Online arbeite, sagt Montgomery. So viel zum Anspruch.

In Wirklichkeit funktioniert noch nicht einmal ein popliger Drucker. Alles klingt perfekt - aber nicht einmal "defekt" ist richtig geschrieben.

Der defekte Drucker steht dafür, dass Montgomery neue Wege propagiert, die Investitionen in Technik notwendig machen, dass er aber zugleich verlangt, die Redakteure mögen sie mit besseren Schreibmaschinen bestreiten. Es können noch nicht einmal auf allen Redaktionsrechnern aufwändigere Internetseiten angezeigt werden, die heute massenhaft zu finden sind.

Die Redaktion, sagt Regine Zylka, die Mitglied im Redaktionsausschuss ist, hätte "sehr gerne einen guten Internetauftritt". Die Frage sei nur, "wie Montgomerys Ideen mit seiner dramatischen Sparpolitik zusammenpassen".

Wann immer er vor ein Mikrofon tritt, klingt Montgomery, als habe er den großen Weltenplan ausgeheckt - und seine Umsetzung würde nur am Widerstand strukturkonservativer, eitler Printjournalistenfatzkes scheitern. In den Augen der Redakteure der Berliner Zeitung ist das Problem ein anderes. Es heißt: David Montgomery. Was sie ihm vorwerfen, ist, dass ihm sogar seine eigene Strategie zu kostspielig ist. "Man könnte darüber streiten, ob der Online-Weg der richtige ist", sagt ein Redakteur. "Aber wenn er seinen Worten Taten folgen lassen würde, könnte man sich zumindest damit auseinandersetzen. Das wäre eine Perspektive."

Was aber passiere, sei: nichts.

Er will Geld herausholen, keines hineinstecken. Als Montgomery mit seinem Mecom-Konzern und Unterstützung der Finanzinvestorengruppe Veronis Suhler Stevenson 2005 den Berliner Verlag übernahm und damit erstmals Investoren aus der Private-Equity-Branche auf dem deutschen Zeitungsmarkt aktiv wurden, behauptete er zwar das Gegenteil und versprach: "Wir garantieren, dass wir in die Zeitung investieren werden, wenn Sie" - die Belegschaft - "mitziehen." Die Verlagsmitarbeiter aber vertrauten Montgomery, dem der Ruf des Kostenreduzierers mit der Wärme des tiefgefrorenen Gletschermanns Ötzi vorauseilt, schon damals nicht. Sie waren auf die Straße gegangen, um gegen die Übernahme zu protestieren. In den Händen hielten sie Schilder, die durchgestrichene Heuschrecken zeigten. Der damalige Chefredakteur der Berliner Zeitung, Uwe Vorkötter, schrieb in der Zeitung: Er rate "dringend davon ab", deren Zukunft "David Montgomery anzuvertrauen". Der verfüge nämlich "bestenfalls über rudimentäre Kenntnisse der deutschen Zeitungslandschaft". Manche nannten die Proteste damals naiv.

Doch heute, mehr als zwei Jahre später, haben die Redakteure der Berliner Zeitung noch immer keinen Grund gefunden, ihr Misstrauen herunterzuschlucken. Naivität? Oder begründet durch die gelebte Erfahrung?

Anders als klassische Verleger sei Montgomery nicht auszurechnen, sagt heute ein hoher Verantwortlicher in Zeitung und Verlag, der die Kritik der Redakteure für überzogen hält. Mecom sei an der Börse notiert - wie so viele Medienunternehmen weltweit. In Deutschland sei nur noch nicht angekommen, dass das ganz normal sei. "Überall wittert die Redaktion Unheil."

Doch worauf deutet es hin, dass nach Montgomerys Übernahme ein bemerkenswerter freiwilliger Exodus qualifizierter, anerkannter Redakteure einsetzte, deren Positionen bislang nicht wieder besetzt wurden? Dass die Redaktion der Berliner Zeitung Montgomery gerade einen Brief schrieb und ihn zu einer Strategieänderung aufforderte? Darauf, dass in Wirklichkeit schon alles in Ordnung ist?

"Montgomerys einziges Credo sind Zahlen", sagt ein Redakteur. Und die Zahlen seines Londoner Mecom-Konzerns sind schlecht genug, dass in Berlin derzeit kaum jemand an Investitionen in die Zeitung glauben mag.

Als Beispiel dafür, wie weit entfernt Mecom von der Umsetzung langfristiger Pläne sei, dient der Redaktion ein hektischer Schachzug aus dem September: Damals fror die Berliner Zeitung kurzfristig die Abowerbung ein, um die Kosten dafür zu sparen und so schnell noch das Quartalsergebnis aufzupeppen. Ein viel sagender Schritt, findet ein Redakteur - der darin einen Beleg dafür sieht, dass Montgomery nicht in der Logik eines Verlegers handle, als der er sich bezeichnet, sondern in der Logik eines Investors. In dessen Logik mag er nachvollziehbar handeln.

Was daran jedoch auszusetzen ist, warf eine Redakteurin Montgomery bei einem Treffen im November vor: Er spreche nicht dieselbe Sprache wie die Redakteure, sagte sie - und meinte keineswegs, dass der Nordire endlich mal einen Deutsch-Volkshochschulkurs belegen solle. Sie meinte: Er spreche nur die Business-Sprache.

Als Chefredakteur Josef Depenbrock am Donnerstag nach einem Gespräch mit Montgomery in der Redaktionskonferenz einräumte, dass die neuen Renditevorgaben für 2008 bei 18 bis 20 Prozent lägen, platzte den Redakteuren der Kragen. In besagtem Brief an Montgomery forderten sie wütend "ein Redaktionssystem (), das es erlaubt, die Leser in attraktiver Form zu erreichen", und "eine langfristige und publizistisch kohärente Geschäftsstrategie".

Einen zweiten Brief überreichten sie Depenbrock, den sie darin zum Rücktritt aufforderten. Denn der ist nicht nur Chefredakteur, sondern auch Geschäftsführer der BV Deutsche Zeitungsholding, zu der der Berliner Verlag gehört - und vertritt damit auch die Interessen der Londoner Mecom-Zentrale. "Wir wollen einen Chefredakteur", sagt Regine Zylka, "der die Interessen der Redaktion gegenüber dem Verlag angemessen vertritt" - und keinen, der "sich vorrangig den wirtschaftlichen Zielen des Konzerns verpflichtet fühlt". Die Redaktion - auch das stand im Brief - vertraue ihm nicht. Sie will einen Blattmacher, keinen Erfüllungsgehilfen von Plattmachern.

Unter Montgomery und Depenbrock sind Redaktionskonferenzen bei der Berliner Zeitung zu Reduktionskonferenzen geworden. So sieht es jedenfalls die Redaktion - und Depenbrock äußert sich nicht. Wegen seiner Doppelfunktion als Chefredakteur und Geschäftsführer habe er keine Zeit für Interviews, lässt er seit Monaten mitteilen. Die Pointe muss man ihm lassen.

Dass die Redaktion in seiner Doppelrolle einen Verstoß gegen das Redaktionsstatut sieht, das die Trennung von Verlag und Redaktion vorschreibt, und am Freitag beschlossen hat, vor dem Arbeitsgericht die deshalb seit langem angedachte Feststellungsklage gegen Depenbrock nun tatsächlich einzureichen, deutet jedoch darauf hin, dass nicht alle darüber lachen können.

Nachdem ihm die Rücktrittsforderung überreicht worden war, ließ Depenbrock am Freitag verlauten: Wer von den Redakteuren gehen wolle, könne gehen.

Es muss ja ohnehin abgebaut werden - 920 Mitarbeiter arbeiten für die deutsche Mecom-Holding; dass das zu viele sind, wurde bereits angekündigt. In der Business-Sprache heißt das: sparen für die Rendite. In der Sprache der Redakteure nennt man das: ausbluten lassen.

"Es geht um die Substanz der Zeitung", sagt Thomas Rogalla vom Redaktionsausschuss. "Schulterzuckend lässt man hier gute Leute weggehen."

Und manche glauben schon, das deute darauf hin, dass Mecom mittelfristig mit der Berliner Zeitung nichts mehr vorhabe.

Tatsächlich scheint Montgomerys Geschäftsstrategie in Deutschland gescheitert. Mit fünf, sechs Regionalzeitungen hätte er Synergien erzielen können: mit einem Mantel- und vielen Lokalteilen und einer gemeinsamen Anzeigenvermarktung etwa. Der Plan aber, sich eine Zeitungskette zusammenzukaufen, ist in Deutschland nicht aufgegangen. Die Redakteure haben Montgomery in ihrem Brief aufgefordert, die Zeitung endlich ernst zu nehmen - oder sie zu verkaufen.

Die einen fürchten zwar für den Fall, dass es so käme, "ein Regen-Traufe-Problem". Die anderen aber sagen: Schlimmer könne es nicht kommen. Jeder Käufer, der ein verlegerisches Interesse habe, sei ein besserer Eigner. Ein Redakteur sagt: "Es ist dem Tier ohnehin relativ egal, ob es geschächtet oder mit dem Bolzenschussgerät erlegt wird."

Die Hoffnung der Redaktion allerdings ist, dass dem Tier die Flucht gelingt.

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