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Spargel, Sanddorn, Stabtomaten

■ „Berlin ist ganz wild drauf“/ Chancen für havelländische Agrarwirtschaft

Potsdam. Stabtomaten sind für Manfred Busch die große Zukunft. „Berlin ist ganz wild auf den Harzfeuer- Geschmack“, meint der Vorsitzende der Damsdorfer Gartenbau-Genossenschaft. Auf 15.000 Quadratmetern unter Glas und computergesteuert baut die GPG Tomaten an. Von 50.000 Gewächshaus-Metern werden 40.000 bewirtschaftet. 7.000 bis 8.000 sind ältere Gewächshäuser und sollen künftig für den Erdbeeranbau genutzt werden. Busch rechnet mit Erträgen, die höher liegen als im Freiland. Unabhängig von der Witterung und mit geringstem Energieaufwand können Erdbeeren hier außerhalb der Saison produziert werden. 100 Tonnen soll das bringen. Die Blütenbestäubung durch Bienen und Hummeln gibt einheimischen Imkern wieder Chancen.

500 Hektar Obstland „in gutem Kulturzustand“ — gepachtet von verschiedenen Bodeneigentümern und früher zur LPG Obstproduktion Damsdorf gehörig — sollen 150 Tonnen Süßkirschen und 300 Tonnen Schattenmorellen bringen, dazu 200 Tonnen Pflaumen und zwischen 4.000 und 5.000 Tonnen Äpfel. Neben der Stabtomate und der immer stärker gefragten Himbeere setzt die Genossenschaft auf zwei Kulturen, deren Anbau auf den armen Böden Brandenburgs Sinn macht: Sanddorn und Spargel.

Die drei „Hoffnungs-S“ der Landwirtschaft sollen durch ein viertes, branchenfremdes ergänzt werden, den „s“-anften Tourismus. Das heißt für die Durchhaltebetriebe der Region vor allem, ihre Obstplantagen zu erhalten. „Sterbende Bäume sind das Ende für den Tourismus, bevor er angefangen hat“, sagt Busch. Er möchte die Wälder der Gegend von Windbruch und Dünnholz befreien und sechs gesunde Waldseen zugänglich machen. Gemeinsam mit einem österreichischen Unternehmen, einem einheimischen Förster und einem Holzfachmann hat die GPG eigens dafür eine Agro-Forst GmbH gegründet, mit je 25 Prozent Geschäftsanteilen für jeden der Partner. Das Unternehmen soll das Material beschaffen, mit dem ein Biomasse-Heizhaus die Energie für die Damsdorfer Gewächshäuser erzeugt.

Zum Jahresende 1990 standen im brandenburgischen Gartenbau noch 19.000 Menschen in Beschäftigungsverhältnissen, im Havelland rund 6.000, die Hälfte davon in der Primärproduktion. Obwohl wegen der Umbildung und Neugründung von Agrarbetrieben niemand aktuelle Zahlen nennen will, geht man in Damsdorf davon aus, daß die Landwirtschaft derzeit nur noch ein Drittel der früheren Genossenschaftler ernährt. Die GPG aber hält Gegenkurs. Von der im Herbst 90 aufgelösten LPG Obstproduktion — einst 3.000 Hektar — hat sie 50 Leute übernommen. Am Montag kamen 100 hinzu, die von März bis November arbeiten.

Auch nach der Umstrukturierung, die bis zum Jahresende erfolgt sein muß und möglicherweise in einer Aufgliederung endet, wollen die Damsdorfer Gartenbauer gemeinsam weiterarbeiten. Niemand sei bereit, einzeln zu wirtschaften, erklärt Manfred Busch, der auch Vorsitzender des gemeinsam mit den Liquidatoren der LPG gegründeten „Fördervereins Obstbau zwischen Havelland und Klostersee“ ist. Ihm gehören heute rund 100 Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe an, die sich dem Erhalt des Obst- und Gemüsebaus verschrieben haben. „Das Havelland muß der Vorgarten Berlins werden“, weist Manfred Busch die Richtung. Rainer Plagemann

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