Spanischer Starermittler Garzón verurteilt: Tribunal erledigt Richter
Baltasar Garzón ist am Ende. Der oberste spanische Gerichtshof verurteilt den bekannten Richter zu 11 Jahren Berufsverbot. Spanier kommentieren das Urteil als "Lynchjustiz".
Die Karriere des 56-jährigen spanischen Starermittlers Baltasar Garzón ist zu Ende. Der Oberste Gerichtshof Spaniens, das Tribunal Supremo, hat den Richter am Strafgericht, der Audiencia Nacional, zu 11 Jahren Berufsverbot verurteilt.
Er habe sich der Rechtsbeugung schuldig gemacht, als er mehrere Anwälte eines korrupten Netzwerks aus Unternehmern und Politikern aus dem Umfeld der regierenden Partido Popular (PP) des konservativen spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy im Gefängnis bei Mandantenbesuchen abhören ließ, heißt es. Eine Berufung gegen ein Urteil des Tribunal Supremo, der höchsten Instanz im spanischen Rechtssystem, ist nicht möglich.
Das Urteil erging einstimmig. Die sieben Richter folgten damit der Anklage. Garzón taufte den größten Korruptionsfall der jüngeren spanischen Geschichte "Gürtel", die Übersetzung des Nachnamens des Hauptangeklagten Francisco Correa.
Gerechtfertigte Abhöraktion
Das Abhören von Anwälten sei "Rechtsbeugung" und ein "schwerer Verstoß gegen die von der Verfassung garantierten Rechte". Garzón sah die Abhöraktion hingegen gerechtfertigt. Die Anwälte hätten zusammen mit ihren Mandanten vom Gefängnis aus millionenschwere Konten räumen und große Summen weißwaschen wollen. Der Abhör-Antrag stammte von der Polizei und wurde von der Staatsanwaltschaft sowie einem weiteren Richter, der Garzón bei den Ermittlungen ersetzte, nachdem ihm der Fall entzogen wurde, abgesegnet.
Keiner von ihnen wurde angeklagt. Die Staatsanwaltschaft nahm Garzón vor dem Tribunal Supremo in Schutz. Es gebe keinerlei Anzeichen für ein Delikt, das Verfahren müsse eingestellt werden. Dennoch wurde der Ermittler, der einst durch die Verfolgung des ehemaligen chilenischen Diktators Augusto Pinochet international bekannt wurde, jetzt verurteilt.
Zwei weitere Verfahren gegen Garzón stehen noch aus. In einem, das am Mittwoch mit den Plädoyers zu Ende ging, fordert die Anklage weitere 20 Jahre Berufsverbot. Garzón habe, so die Anschuldigung, das Recht gebeugt, als er trotz Amnestiegesetz die Verbrechen der Franco-Diktatur aufarbeiten wollte. Im dritten Verfahren schließlich, das auf die Verhandlungseröffnung wartet, sieht sich Garzón dem Vorwurf der Bestechung ausgesetzt. In einem freien Jahr gab er Kurse in New York und nahm dafür Honorare an.
"Schieß auf den Garzón", nennt einer der Verteidiger Garzóns die Prozesswelle, die zur ersten Verurteilung geführt hat. Als Kläger fungieren im ersten Verfahren die der Korruption angeklagten Unternehmer und Politiker aus dem Umfeld der regierenden Partido Popular (PP), im zweiten rechtsradikale Organisationen, die der Diktatur nachtrauern, und im dritten rechtslastige Anwälte.
Befangenheitsanträge abgelehnt
In allen drei Fällen verlangte die Staatsanwaltschaft vergebens eine Einstellung. Die Richter machen dennoch weiter. Viele von ihnen sind in mehreren der drei Verfahren beteiligt. Sie ermitteln in einer Anklage und urteilen in einer anderen. Garzóns Anwälte stellten deshalb Befangenheitsanträge. Diese wurden ebenso abgelehnt wie die Anträge auf Vernehmung internationaler Rechtswissenschaftler als Zeugen.
"Garzón hat große Sachen gemacht, gute und schlechte, aber alle groß", feiert der Anwalt von Correa, Kläger gegen Garzón und Hauptbeschuldigter im Falle "Gürtel", das Urteil. Während der spanische Justizminister "Respekt vor der Justiz" fordert, spricht Spaniens Öffentlichkeit von einem "Justizskandal".
Der Abgeordnete der Vereinigten Linke, Gaspar Lllamazares, spricht von "einer Lynchjustiz". "Es geht damit los, dass man angesichts der Ungerechtigkeit gegen einen Einzelnen schweigt und es hört damit auf, dass wir eine ,Justiz' haben, wie wir sie jetzt sehen", beschwert sich der Kinoregisseur Montxo Armendariz auf Twitter.
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