■ Spaniens Toreros streiken: Der Stier beim Barbier
Madrid (taz) – Traurige Feste werden es Anfang März in Castellon und in Valencia sein. Denn die Hauptattraktion jedes halbwegs anständigen Festes zu Ehren eines Stadtpatrons, der Stierkampf, fällt aus. Toreros und Gehilfen streiken ab nächsten Sonntag.
Den Stier tauschen sie gegen einen neuen, nicht weniger mächtigen Gegner ein: das spanische Innenministerium. Zu viele Strafen hätte ihnen der oberste Wächter nicht nur über Ruhe und Ordnung, sondern auch über die Ethik bei Spaniens ältestem Spektakel verhängt, so die Gewerkschaft der Beschäftigten im Stierkampf (CAPT). Die strittige Frage: Wer stellt wann und wo fest, ob der Stier „rasiert“ wurde oder nicht? Gemeint ist damit nicht etwa eine Schönheitskur für das zum Tode verurteilte Tier, um es vor dem Kampf fernsehgerecht aufzumotzen, sondern die leidige Angewohnheit, dem Tier mit Säge und Feile an die Hörner zu gehen. In der Arena verliert der so mißhandelte Stier jegliche Orientierung, denn er hat das Maß seines gefährlichen Kopfschmucks so verinnerlicht, daß ihn bereits die wenigen fehlenden Millimeter ins Leere laufen lassen. Der Torero trumpft mit angeblichen Glanzleistungen auf, der Erfolg ist ihm gewiß.
Das Innenministerium will künftig den Stier post mortem untersuchen lassen. Die Stierkämpfer sind dagegen, denn in der Arena verletze sich so mancher Stier die scharfen Spitzen seiner Hörner, was dann fälschlicherweise als Betrug und Manipulation bestraft würde. Noch vor einem Jahr kamen die Toreros damit durch. Die Regierung zog ihre Pläne zurück, um einen drohenden Streik mitten im Stadtfest von Sevilla zu verhindern. Mit wissenschaftlicher Unterstützung soll es dieses Mal gelingen. Die Behauptungen der Toreros seien Unsinn, bestätigen Veterinäre an der wichtigsten spanischen Universität, der Complutense in Madrid. Die Wissenschaft sei durchaus in der Lage, genau zu unterscheiden, was an den fehlenden Hornzentimetern schuld sei. Die Toreros überzeugt das nicht. Sie wollen so lange ihre Arbeit verweigern, bis eine Vorabuntersuchung, noch bevor das Tier für den Kampf hergerichtet wird, per Erlaß festgeschrieben wird. Erst nach der Beschau durch den Tierarzt und dem amtlichen Siegel unter dem Freibrief sollen dem Stier dann Fell und Hörner gereinigt werden – und der Barbier könnte weiterhin ungestört sein Geschäft im Hinterzimmer verrichten. Reiner Wandler
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