Spaniens Regierungschef Zapatero: Mit dem Rücken zur Wand
Die Beliebtheit des spanischen Ministerpräsidenten Zapatero sinkt dramatisch. Auch die Gewerkschaften wenden sich nun gegen ihn und machen gegen Lohnkürzungen mobil.
MADRID taz | Die Umfragewerte von Spaniens Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero befinden sich im freien Fall. Im Parlament hat er keine Mehrheit mehr und jetzt droht ihm am Mittwoch auch noch ein Generalstreik der Gewerkschaften. Der einstige Hoffnungsträger wird jetzt selbst in den eigenen Reihen kritisiert. 76 Prozent der Spanier wollen, so eine Umfrage der linksliberalen Tageszeitung El País, nicht, dass Zapatero 2012 erneut zu den Parlamentswahlen antritt. Selbst bei seinen Stammwählern sind es 71 Prozent.
Noch im Januar 2009 gaben 74 Prozent der Zuschauer einer Fragestunde im öffentlichen Fernsehen Zapatero die Note "bestanden". Dies war am Anfang der zweiten Amtszeit des Sozialisten. Die Einführung der Homoehe, eine Ausweitung des Sozialsystems und Steuergeschenke in den Jahren 2008 und 2009 machten ihn beliebt. Die Staatskassen seien voll, erklärte er, als er jedem Spanier Geld zurücküberwies. Das Sozialversicherungssystem sei so gesund wie nirgends in Europa. Während das internationale Finanzsystem längst in Schieflage geraten war, weigerte sich Zapatero von Krise zu sprechen. Eine "leichte Verlangsamung der Wirtschaft" machte er in Spanien allenfalls aus.
Nur 18 Monate später sieht alles anders aus. Spanien sorgte international für Schlagzeilen. Die Neuverschuldung des Landes auf der Iberischen Halbinsel brachte zusammen mit der Krise in Griechenland das europäische Währungssystem an den Rand des Abgrunds. Spaniens Immobilienblase, die ein Jahrzehnt für ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum gesorgt hatte, ist geplatzt. Mittlerweile ist jeder Fünfte ohne Arbeit.
Zapatero nimmt, was er gegeben hat. Das von ihm eingeführte Kindergeld wurde ebenso gestrichen wie die Steuergeschenke oder die Unterstützung für Langzeitarbeitslose. Die Gehälter von Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst wurden um rund 7 Prozent gekürzt, die Renten eingefroren.
Während die Parteien links seiner sozialistischen PSOE vom sozialem Kahlschlag reden, wirft ihm die konservative Opposition, der Partido Popular (PP), Unfähigkeit vor. Zu spät habe Zapatero die Krise erkennen wollen, sein Handeln greife zu kurz.
Zapatero steht mit dem Rücken zur Wand. Der sozialistische Regierungschef wusste lange nicht, mit wessen Unterstützung seine Minderheitsregierung im Parlament den Haushalt für 2011 verabschieden sollte. Jetzt kann er auf eine ganz knappe Mehrheit mit Hilfe der Baskisch Nationalistischen Partei (PNV) rechnen. Verzweifelt verhandelt er mit der PNV über neue Kompetenzen für die rebellische Nordregion.
Die Basken werden künftig ihre Arbeitsförderungsprogramme selbst verwalten. Über 470 Millionen kostet dies die Staatskasse. Das einheitliche Sozialsystem wird aufgespalten. Doch was am Schlimmsten wiegt: Die PNV ist im Baskenland in der Opposition. Dort regiert seit den letzten Wahlen ein Parteifreund von Zapatero. Dieser fühlt sich übergangen.
Es sei "der Ausverkauf Spaniens im Parteiinteresse", lautet der Vorwurf, dem sich Zapatero im spanischen Parlament ausgesetzt sieht. Die konservative PP liegt in den Umfragen weit vorn. Und das, obwohl ihr Führer, Mariano Rajoy, fast genauso unbeliebt ist wie Zapatero selbst.
"Zapatero Rücktritt", riefen die 16.000 Teilnehmer einer Gewerkschaftskundgebung in Madrid vor vier Wochen und machten damit Schlagzeilen. Denn die beiden großen Arbeitnehmerorganisationen, die sozialistische UGT und die postkommunistische CCOO, unterstützten Zapateros Regierung lange Zeit. Jetzt bereiten sie einen Generalstreik für den 29. September vor. Neben den Sozialkürzungen und den verordneten Lohneinbußen im öffentlichen Dienst protestieren die Gewerkschaften gegen die nach der Sommerpause verabschiedete Lockerung des Kündigungsschutzes.
Zapatero stellt sich taub. Im Interesse der Sanierung der spanischen Wirtschaft werde er trotz der Proteste "die grundlegenden politischen Entscheidungen in diese Richtung" aufrechterhalten. "Ich kenne keine Regierung, die vor einem Streik ihren Kurs korrigiert hätte. Doch selbst Aznar gab nach einem Streik nach", sagt der UGT-Vorsitzende Candido Méndez.
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