piwik no script img

Spaniens Kabel-El-Dorado

Während das Kabelfernsehen vor dem Start steht, will der neue Regierungschef Aznar die Telekommunikation noch weiter liberalisieren  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

Drei Jahre brauchte Felipe González, um ein Kabelgesetz auf den Weg zu bringen. Jetzt haben seine Sozialisten die Wahlen verloren und das Werk gerät erneut ins politische Kreuzfeuer. Der neue Regierungspräsident José Maria Aznar von der konservativen Partido Popular (PP) würde gerne nachbessern und den Markt noch weiter liberalisieren.

Bislang gibt es in Spanien noch kein Kabelfernsehen, doch die (noch) staatliche Gesellschaft Telefónica hat die Kabel bereits bis an die Türen von fast der Hälfte aller elf Millionen Haushalte gelegt. Angeschlossen werden sie allerdings erst, wenn in jeder Region noch ein weiterer Anbieter feststeht. Und der wird jetzt in Hunderten von Ausschreibungen ermittelt, denn keine der Kabelgemarkungen darf mehr als zwei Millionen Einwohner haben.

Das Geschäft ist verlockend. Während das spanische Bruttosozialprodukt neun Prozent des europäischen Gesamtvolumens ausmacht, sind es in Sachen Telekommunikation nur sechs Prozent. Das deutet auf einen Nachholbedarf, der schnelles Wachstum und hohe Gewinnraten verspricht.

Telefónica versucht derweil, ihre Marktvorteile aus Monopolzeiten zu sichern. Dazu gründete sie letzten Juli zusammen mit dem Fernsehanbieter Sogecable das gemeinschaftsunternehmen Cablevisión. Eine richtige spanische Elephantenhochzeit, denn Sogecable ist eine Tochter der Presse-Holding PRISA, der neben El Pais – größte Tageszeitung des Landes – und unzähligen Radiosendern auch das Pay-TV Canal+ gehört. Cablevisión geht gut vorbereitet in den Streit um das Kabelgeschäft. Sogecable verfügt über fünf eigene Kanäle und Telefónica über ein Kabelnetz für 4,5 Millionen Haushalte und die gesetzlich verankerte Sendeerlaubnis im ganzen Land.

Was die privaten Anbieter daran am meisten stört: Während sie für die Verkabelung Gebühren an die Gemeinden abführen müssen, kann Cablevisión einfach auf die Infrastruktur von Telefónica zurückgreifen.

Auch aus Brüssel kommen deshalb Beschwerden. Wettbewerbskommissar Karel van Miert fühlt sich übergangen. Das Abkommen zwischen Sogecable und Telefónica hätte einer vorherigen Prüfung durch die EU bedurft, kritisiert er die Spanier und droht mit einer Geldbuße von bis zu zehn Prozent des jährlichen Geschäftsvolumens aller Firmen, die an Cablevisión beteiligt sind. Die Regierung González versuchte deshalb noch zwei Tage vor der verlorenen Wahl eine kosmetische Operation am Kabelgesetz. Der Ministerrat beschloß damals, daß künftig alle Mitbewerber Zugang zu den Glasfaserkabeln der Telefónica haben sollen, allerdings mit einer Einschränkung: Sie müssen sich verpflichten, nicht im Telefongeschäft mitzumischen.

Doch auch dies ist nichts weiter als ein Freundschaftsdienst für Telefónica und soll dessen Vormachtstellung sichern. Denn wenn Brüssel am 1. Januar 1998 das Telefonwesen endgültig freigibt, könnten sich andernfalls die privaten Kabelbetreiber zu Konkurrenten auf dem Telefonmarkt mausern. Das Kabelgesetz sieht dies ausdrücklich vor — und hier liegt das eigentliche Geschäft der Zukunft. Denn die Einkünfte aus dem Kabelfernsehen werden bis zum Jahre 2005 nur auf 3,5 Milliarden Mark geschätzt, während auf der Ausgabenseite für die Zweitbetreiber acht Milliarden nötig sind, um die elf Millionen spanischen Haushalte zu verkabeln.

Deshalb schielen die Investoren auf das Kommunikationswesen als Gesamtpaket. Alleine in Spanien werden hier die Einnahmen bis zur Jahrtausendwende auf 40 Milliarden Mark geschätzt. Der interessanteste Einzelbereich ist dabei nach wie vor die Stimmübertragung via herkömmlichem Telefon. Während British Telecom und Télécom France den direkten Einstieg in den spanischen Telefonmarkt suchen, geht die US-West den Umweg über das Fernsehen. So beteiligen sie sich im Baskenland, Katalonien, Valencia, Andalusien und im Industriegürtel rund um Madrid an Konsortien, die sich jeweils um die lokale zweite Lizenz bewerben.

Die Aussichten von US—West stehen nicht schlecht. Sowohl in Katalonien als auch im Baskenland agieren sie zusammen mit Gesellschaften der Regionalregierungen und gelten somit als aussichtsreichster Bewerber.

Selbst wenn Brüssel letztendlich mit Cablevisión ein Einsehen haben sollte, ist die Sache noch lange nicht ausgestanden. Der frischgewählte Regierungspräsident fordert die sofortige Auflösung des Unternehmens, um den Markt weiter zu liberalisieren. Dem Konservativen ist Cablevisión schon lange ein Dorn im Auge. Er sieht in dem halbstaatlichen Joint-venture einen reinen Gefälligkeitsdienst von González gegenüber PRISA, für die regierungsfreundliche Berichterstattung von El Pais während der letzten Jahre voller Skandale.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen