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Sozialpolitisches ThesenpapierFDP versenkt Dekadenzdebatte

Die FDP will bei Hartz-IV den Zuverdienst erleichtern und die Kosten der Unterkunft pauschalieren. Angesichts eines neuen FDP-Thesenpapiers zeigten sich Wohlfahrtsverbände erleichtert.

FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Bild: ap

BERLIN taz/epd | Auf vorsichtig positive Reaktionen bei Sozialverbänden ist ein Thesenpapier der FDP zur Hartz-IV-Debatte gestoßen. Die Vorschläge böten eine echte Möglichkeit, die Diskussion um das Thema zu versachlichen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider. Es sei sinnvoll, Kindern einen Mix aus Sach- und Geldleistungen zu gewähren. Auch die Frage nach den Zuverdienstmöglichkeiten sei richtig gestellt.

FDP-Generalsekretär Christian Lindner hatte am Mittwoch auf einem Kongress in Berlin Vorschläge für eine Hartz-IV-Reform präsentiert, die er gemeinsam mit den Bundestagsabgeordneten Heinrich Kolb, Pascal Kober und Johannes Vogel erarbeitet hat. Die Autoren gelten schon länger als Befürworter einer programmatisch breiteren Profilierung der FDP, über das Image einer reinen Steuersenkungspartei hinaus. Sie reagierten mit ihrem Papier auf die vom Parteivorsitzenden Guido Westerwelle entfachte Diskussion, inwieweit die Leistungen für Hartz-IV-Empfänger einen Fall von "anstrengungslosem Wohlstand" darstellten, der mit "spätrömischer Dekadenz" gleichzusetzen sei.

Kernpunkt der Vorschläge sind Änderungen bei den Zuverdienstregeln. Einkommen bis zu 1.000 Euro bleiben demnach zu mindestens 40 Prozent anrechnungsfrei. Wird im Gegenzug die bislang großzügigere Regelung für Beträge bis 200 Euro gestrichen, ließe sich das Konzept nach FDP-Angaben kostenneutral verwirklichen. Die Autoren berufen sich dabei auf Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Die Gefahr, dass damit dauerhaft Niedriglöhne subventioniert werden, nehmen die FDP-Politiker in Kauf. "Aufstocken darf kein Schimpfwort sein", schreiben sie in dem Papier.

Außerdem wollen die Liberalen für die Unterkunft von Hartz-IV-Empfängern nicht mehr die realen Kosten erstatten, sondern einen regional unterschiedlichen Pauschalbetrag. Damit solle die Selbstbestimmung gestärkt und die Zahl der Gerichtsverfahren gesenkt werden, heißt es. Zu prüfen sei auch, ob zusammenlebende Personen jeweils den vollen Regelsatz erhalten sollen. Zumindest in einem Teil der Fälle werde dadurch die "würdelose Prüfung der Anspruchsberechtigung bis in den Intimbereich" entbehrlich.

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14 Kommentare

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  • G
    gelderlander

    Pauschalisierung der Unterkunftskosten ist der falsche Weg, dadurch entstehen Ghettos, dadurch werden die HARTZ-IV-Opfer noch mehr aus der Gesellschaft abgedrängt.

     

    Aberr das ist ja der Stil der FDP, einer Partei, die sich kaufen lässt

  • R
    rko

    @PetraBergmann:

    Gegenfrage: Mit welcher Berechtigung darf man jemandem das Leben schwer machen, weil er zwar arbeitsfähig ist, aber nun mal keine Arbeit hat? Sie wollen doch nicht allen arbeitsfähigen Arbeitslosen unterstellen, sie seien arbeitsunwillig, oder?

  • MM
    mit Majo

    Wenn die gar nicht so Liberalen so weitermachen mit ihrem gesellschaftlichen Angagement darf nicht niemand mehr wundern, wenn uns allen der sozialpolitsche Cocktail eines Tages explodiert und um die Ohren fliegt, so wie in Frankreich in den Banlieue sprich - Bannmeile - schon geschehen!

  • K
    KarlderKleine

    Die Änderungen der Zuverdienstgrenzen ist längst überfällig.

    Nur.. was passiert, wenn die FDP.., das Ganze anpackt..??

     

    Es wird mal wieder gemurkst !

     

    Man sollte 1. Die Anreize gerade für Langzeitarbeitslose richtig großzügig gestalten ( klotzen statt kleckern !)

    2. Man sollte 100 Euro Freipauschale belassen ( man bedenke., dafür auch Mehrkosten für Fahrt, Telefon etc.. ebenfalls abgedeckt werden muß..).

     

    3. Die FDP sollte endlich begreifen., das den 40.000.000 Millionen Menschen auch finanziell geholfen werden muß.., die einfach zu wenig Geld, um den Geldkreislauf in Gang zu bringen.

     

     

    Die Alternative sieht so aus: Mehr Kriminalität, Mehr Schwarzarbeit.., denn wer kann sich denn noch einen richtigen Handwerker leisten? Mehr Perspektivlosigkeit, weniger Binnennachfrage.. höherer Arbeitslosigkeit.

    DAs System kollabiert..und die Bonzen verstecken sich irgendwann in ihren Bürotürmen.

     

    Diese Mangelwirtschaft ist Unsinn., das weiß man spätestens seit dem Marshallplan.

     

    Ich hoffe, das die FDP endlich einen Dreh findet, den Menschen zu helfen..,

  • J
    jimmygjan

    Was nützt ein nettes Thesenpapier der FDP, wenn die politische Realität längst etwas anderes vorschreibt. Nach dem jüngst das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) feststellte, dass die Hartz IV Regelleistungen verfassungswidrig und deshalb neu zu ermitteln sind, ist das Thesenpapier der FDP das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt ist.

     

    Nur ein "Blinder mit dem Krückstock" (soll keine Diskriminierung der Blinden sein!) glaubt doch daran, dass die Regelsätze geringer ausfallen Es wird so sein, dass die Regelsätze erheblich ansteigen werden. Auch das jetzige "Gerede" mehr Sachleistungen, als Geldleistungen den Betroffenen zu geben, ist bei genauer Betrachtung nicht aufrecht zu erhalten. Dies bedeutet doch im Umkehrschluss, dass alle Hartz IV Empfänger in ihrer Gesamtheit nicht mit Geld umgehen können, was diskriminierend wäre und ebenfalls vor dem BVerfG keinen Bestand haben würde.

     

    Dem zu Folge sind also erheblich mehr finanzielle Mittel im Haushalt bereit zu stellen. Was hilft denn da ein Thesenpapier !?

     

    Auch scheint der FDP die Zusammenhänge noch nicht klar zu sein, bzw. es ist ihnen klar, weshalb sie unbedingt die Hartz IV Leistungen kürzen wollen.

     

    Zur Zeit haben wir ca. 7 Millionen Hartz IV Empfänger, eingeschlossen die sogenannten Aufstocker. Je höher die Regelleistungen, desto höher die Anzahl der Hartz IV Empfänger einschließlich der Aufstocker. Das heißt, dass auch die Löhne ansteigen müssen, weil sonst mit Arbeit weniger an Einkommen zu erzielen ist, als mit Hartz IV. Die Zeit des tricksens bei den Regelleistungen ist vorbei, weil das BVerfG alles genau vorgegeben hat. Man wird also nicht umhinkommen, einen Mindestlohn einzuführen. Gibt es kein Mindestlohn, werden wie heute schon die Arbeitgeber sagen, dass es einen Grundlohn gibt und der Rest vom Amt (Aufstocker). Dies bedeutet jedoch, dass mit Hilfe von Steuergeldern auch noch die Arbeitgeber mit Sozialleistungen subventioniert werden, weil diese an Arbeitslöhnen sparen. So möchte es aber die FDP. Nur diese bisher weit verbreitete Praxis wird den Rahmen der Finanzierbarkeit sprengen, so dass die Politik gezwungen ist Mindestlöhne einzuführen, damit der Sozialhaushalt entlastet wird.

     

    Was hilft hierzu schon ein Thesenpapier der FDP !

  • G
    GWalter

    Die haltlosen Versprechungen des Herrn Westerwelle und der FDP !!??

     

    1 "Arbeitsplätze sind das beste Sozialprogramm"

    Es wurden bis jetzt nur Arbeitsplätze für Staatssekretäre und Beamten geschaffen, die Bürger gehen leer aus. Statt dessen beschimpft der die Harz-4- Empfänger, die keine Arbeitsplätze finden.

     

    2 "Mehr Netto vom Brutto"

    Statt mehr Netto , haben in diesem Jahr fast alle Normalbürger weniger Netto in der Tasche !

     

    3 "Kosten sparen durch weniger Kontrollen im Gesundheitswesen"

    Den Krankenkassen soll nun verboten werden die Rechungen der Krankenhäuser und Ärzte zu kontollieren.

    Seither sind dabei Fehler in Milliardenhöhe aufgedeckt worden !!??

     

    4 "Keine Renten nach Kassenlage des Bundes"

    In diesem Jahr will man trotz dieser Versprechen wegen des Finanzlage des Bundes keine Rentenerhöhung an die Rentner zahlen!

    5 "Besatzungstruppen von USA und GB nach Hause schicken"

     

    Er kriecht vor den USA und erfüllt alle deren Wünsche!

     

    Fazit: alles Leere Versprechungen dieser Klientelpartei für die Reichen!!!!

  • G
    GWalter

    Die haltlosen Versprechungen des Herrn Westerwelle und der FDP !!??

     

    1 "Arbeitsplätze sind das beste Sozialprogramm"

    Es wurden bis jetzt nur Arbeitsplätze für Staatssekretäre und Beamten geschaffen, die Bürger gehen leer aus. Statt dessen beschimpft der die Harz-4- Empfänger, die keine Arbeitsplätze finden.

     

    2 "Mehr Netto vom Brutto"

    Statt mehr Netto , haben in diesem Jahr fast alle Normalbürger weniger Netto in der Tasche !

     

    3 "Kosten sparen durch weniger Kontrollen im Gesundheitswesen"

    Den Krankenkassen soll nun verboten werden die Rechungen der Krankenhäuser und Ärzte zu kontollieren.

    Seither sind dabei Fehler in Milliardenhöhe aufgedeckt worden !!??

     

    4 "Keine Renten nach Kassenlage des Bundes"

    In diesem Jahr will man trotz dieser Versprechen wegen des Finanzlage des Bundes keine Rentenerhöhung an die Rentner zahlen!

    5 "Besatzungstruppen von USA und GB nach Hause schicken"

     

    Er kriecht vor den USA und erfüllt alle deren Wünsche!

     

    Fazit: alles Leere Versprechungen dieser Klientelpartei für die Reichen!!!!

  • I
    isomatte

    Was soll dieses blöde Thesenpapier? Die FDP ist doch höchstens daran interessiert, auf diese Weise ihren Ruf zu retten und die Umfragewerte.

     

    Ansonsten alles wie gehabt-mit den höheren Zuverdienstmöglichkeiten werden vor allem die Unternehmen unterstützt, die Leute zu Niedrigstlöhnen beschäftigen. Ansonsten ist alles wie gehabt: Kein Konzept wie neue Arbeitsplätze geschaffen werden könnten, eine bessere Bildung finanziert, etc.

     

    Das einzige uralte Argument lautet nach wie vor: Wenn die Kapitalisten mehr Geld haben, werden sie auch mehr investieren und mehr Arbeitsplätze schaffen. Das ich nicht lache! Wer glaubt denn das noch?

     

    Leider, leider nur allzu viele Menschen hier. Und wieder gehen sie ihnen auf den Leim, was man am Kommentar der Wohlfahrtsverbände sehen kann, die erleichtert sind. Einfach nur lachhaft!

     

    (Schade nur, dass ich darüber nicht mehr lachen kann!)

  • C
    claudia

    >>Außerdem wollen die Liberalen für die Unterkunft von Hartz-IV-Empfängern nicht mehr die realen Kosten erstatten, sondern einen regional unterschiedlichen Pauschalbetrag.>Schachzug No1: Arbeitslosigkeit muß maximal unangenehm sein.

  • V
    vic

    Die Hinzuverdienstgrenze bis 200 Euro wird weitaus öfter beansprucht als die bis zu 1000 Euro. Also werden mit diesen Plänen einmal mehr die Menschen am Bodensatz der Gesellschaft belastet.

    Zudem versuchen jetzt nur ein paar Leute aus der Bonzenpartei, im gewöhnlichen Volk zu retten was Westerwelle noch nicht zerstört hat.

    Die Verlierer kümmern sie zwar einen Dreck, als Wähler sind sie aber doch ganz nützlich.

  • WT
    was tut's

    Na, jetzt wird man schon gelobt, wenn man nicht mehr ganz so blöd daherredet.

    Das Papier selbst bleibt ziemlich ungenau. Abgesehen von solchen eher etwas bizarren Forderungen, die Grundsicherung umzubenennen, gibt es wenig her. Alarmglocken schrillen bei mir aber sofort beim Vorschlag die Miete zu pauschalieren. Angesichts der Tatsache, dass viele Kommunen die Kosten über mehrere Jahre nicht den Mietspiegeln anpassen, ist hier Schlimmes zu befürchten. Zumindest wüsste man doch gerne, wer die Pauschalen berechnen soll und wie. Dann könnte man auch entscheiden ob der Satz "Wir stärken so zum einen die Selbstbestimmung der Leistungsempfänger, die frei entscheiden können, zu welche Preisen sie Wohnraum und Heizbedarf erwerben wollen.", ernst gemeint ist oder als Scherz. Nebenbei: Ein FDPler mietet keinen Wohnraum, er "erwirbt" ihn. Bei ALG II-Empfängern kann es sich da nur um sehr kleinen Wohnraum handeln.

    Und hier noch eine Passage:

    "Die FDP diskutiert, ob volljährige zusammenlebende Partner jeweils den vollen Regelsatz des ALG II erhalten sollten. Die gegenwärtig bestehenden Anreize zur scheinbaren oder faktischen Trennung von Bedarfsgemeinschaften würden so teilweise beseitigt, die für alle Beteiligten würdelose Prüfung der Anspruchsberechtigung bis in den Intimbereich wäre dann entbehrlich.

    Geprüft werden muss allerdings, ob die entstehenden Entlastungen bei den Kosten der Unterkunft und in der Verwaltung zur Finanzierung dieser Maßnahmen allein ausreichend wären."

     

    Ich wusste es doch: Die FDP ist immer für die freie Entfaltung aller Menschen.

    Solange es nicht zuviel kostet.

  • D
    DeinName

    Mhhh... wäre es nicht besser endlich den Mindestlohn einzuführen, statt den Zuverdienst von jobbenden Harz4-Empfängern zu erhöhen?

    -> Somit würde man schneller aus Harz4 "rauskommen"

    -> Wenn die Arbeitgeber anständig bezahlen, muss auch der Staat weniger zur Tasche greifen

    -> Arbeitslosenquote würde sinken

     

    Im Ganzen freue ich mich aber dennoch, dass die FDP ihre Harz4-Debatten-Taktik etwas in Richtung Solidarität mit den Arbeitslosen Bundesbürgern einlenkt. :)

  • P
    PetraBergmann

    "Arbeitslosigkeit muß maximal unangenehm sein."

     

    Was spricht (gerade bei längeren Zeiträumen) dagegen, wenn derjenige arbeitsfähig ist und auf Kosten der Gemeinschaft lebt?

  • E
    einer

    als ob es der FDP jemals tatsächlich um den Mißbrauch oder die Kosten gegangen wäre. Deren Lobby-Interresse ist einzig den Preisdruck auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Schachzug No1: Arbeitslosigkeit muß maximal unangenehm sein. Durch ökonomischen Druck, soziale Ächtung, bürokratische Ungetüme, entwürdigende Kontrollpraxis. Nun No2: Staatlich geförderte Billiglöhner.