Soziale Stadt: Zwei Gewinner unter den üblichen Verlierern
Zu den Aufsteigern im "Monitoring soziale Stadtentwicklung" gehören das Neuköllner Reuterviertel und der Wrangelkiez in SO 36
Die schlechte Nachricht: Die Schere zwischen den "guten" und den Problemquartieren geht weiter auseinander. Die gute: Auch unter den schlechten Quartieren gibt es Gewinner. Mit dem Reuterkiez und der Gropiusstadt-Ost liegen zwei davon in Neukölln. Aber auch der Wrangelkiez in Kreuzberg ist auf dem aufsteigenden Ast. Das ist das Ergebnis des "Monitorings soziale Stadtentwicklung", das der Stadtsoziologe Hartmut Häußermann und Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) am Mittwoch vorgestellt haben.
Der Reuterkiez in Nord-Neukölln hat es nach der jüngsten Erhebung, die auf den sozialen Daten des Jahres 2008 beruht, von Platz 383 auf Platz 363 geschafft. Die Gropiusstadt im Süden Neuköllns liegt auf Platz 335 - ein Anstieg um 25 Ränge. Einen Platz davor liegt der Kreuzberger Wrangelkiez, der beim letzten Monitoring aus dem Jahr 2007 noch Platz 366 einnahm. An der Spitze der sogenannten Berliner Planungsräume, bei denen zwölf Indikatoren ausgewertet werden, liegt die Eldenaer Straße in Pankow. Schlusslicht ist mit 434 die Helle Mitte in Hellersdorf.
Die Quartiersmanagerin im Reuterkiez, einem von zehn sogenannten QM-Gebieten in Neukölln, zeigte sich erfreut. "Das stimmt uns optimistisch", sagtLuzia Weber der taz. Sie freut sich vor allem darüber, dass sich der gefühlte Aufschwung auch in den Sozialdaten niedergeschlagen habe. "Bislang nämlich hat sich der Zuzug von Studenten und jungen Künstlern vor allem am Rückgang des Leerstands und der Entstehung von Galerien und Cafés in leeren Läden gezeigt."
In seinem Bericht stellt Häußermann dem Quartier, das zwischen der Grenze zu Kreuzberg am Landwehrkanal, der Sonnenallee und dem Kottbusser Damm liegt, dieses Zeugnis aus: "Deutliche Abnahme der Arbeitslosigkeit und der Kinderarmut".
Auch im nördlich angrenzenden Wrangelkiez in Kreuzberg haben Arbeitslosigkeit und Kinderarmut abgenommen. Darüber hinaus ist auch die Jugendarbeitslosigkeit gesunken. Wie im Neuköllner Norden sind es vor allem die jungen Kreativen, die es in den letzten Jahren ins Gebiet gezogen hat. Im östlichen Teil der Gropiusstadt wiederum ist der Aufschwung vielerorts dem Zuzug von Migranten mit überdurchschnittlich hoher Bildung zu verdanken - ein Großteil von ihnen kommt aus Nordneukölln.
Quartiersmanagerin Luzia Weber warnt deshalb vor zu viel Euphorie. "Dem Zuzug junger Leute steht noch immer ein anhaltender Wegzug von Familien gegenüber." Darüber hinaus seien weiterhin fast 90 Prozent der Schüler von den Lernmitteln befreit - auch ein wichtiger Indikator für die soziale Situation in einem Kiez.
Ähnlich sieht dies Bianka Genz, die das Thema soziale Stadt im Bezirksamt Neukölln betreut. "Bildung wird immer wichtiger", weiß sie. Doch da habe vor allem der Reuterkiez mit dem Campus-Rütli punkten können. "Da haben wir über gesellschaftliche und Bildungsgrenzen hinaus ein Zeichen gesetzt."
Nun hofft Genz, dass im neuen "Aktionsraum plus" Fördergelder noch gezielter eingesetzt werden. "Wir haben nicht nur die QM-Gebiete, sondern auch den Stadtumbau-West um das Estrel-Hotel und den Aktionsraum Karl-Marx-Straße. All das muss in Zukunft noch besser koordiniert werden." Der Neuköllner Norden gehört neben Kreuzberg-Nordost, Marzahn-Nord/Hellersdorf-Nord, Wedding und Spandau zu den fünf sogenannten Aktionsräumen plus, mit denen Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg-Junge-Reyer (SPD) städtebauliche Maßnahmen und Investitionen in Bildung künftig bündeln will.
Quartiersmanagerin Luzia Weber hofft, dass der Reuterkiez von der neuen Strategie weiter profitiert. Aber sie sieht auch die Probleme, die der Aufschwung mit sich bringt. "Vor einiger Zeit standen bei einer Wohnungsbesichtigung im Reuterkiez zwei Interessenten, heute ist es ein Vielfaches", so Weber. Vor allem bei Neuvermietungen treibe dies im angesagten "Kreuzkölln" den Preis nach oben. Für Weber ist das dennoch kein Grund zur Beunruhigung: "Die Fluktuation ist niedrig, auch weil es kaum mehr Häuser gibt, die umfassend saniert werden müssen."
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