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Sowjets gegen Direktwahl

■ Sowjets bestätigen Ablehnung der Teilnahme von Berlinern an Bundestagswahl

Bei der Bonner CDU scheint sich in ihrer Haltung zum direkten Wahlrecht der Berliner bei Bundestagswahlen eine Wende anzubahnen: Mehrere Politiker der Bonner Koalitionsparteien äußerten sich gestern positiv zu einer Wahlbeteiligung. Der deutschlandpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Eduard Lintner (CSU), forderte, die Direktwahl nicht unnötig zu behindern. Sollten die Alliierten keine Bedenken äußern, so gebe es keinen Grund, die Berliner nicht wie andere Bundesbürger zu behandeln. Bundestagsvizepräsident Dieter Julius-Cronenberg (FDP) bezeichnete die Direktwahl als „einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg zur Normalisierung und damit auf dem Weg zur deutschen Einheit“. Es sei ein Anachronismus, wenn sich die Westberliner nach den ersten freien Volkskammerwahlen nicht an Bundestagswahlen beteiligen dürften. Allerdings sei eine formelle Zustimmung der Sowjetunion erforderlich.

Aus Moskau wurde gestern aber erneut Ablehnung gemeldet: Nachdem sich die drei West-Alliierten nicht mehr ablehnend äußern, erklärte der stellvertretende Außenamtssprecher Juri Gremitski, es gebe in dieser Frage keine Änderung der sowjetischen Position. „Eine direkte Wahl von Bundestagsabgeordneten durch Bürger West-Berlins würde eine Verletzung des besonderen Status der Stadt bedeuten.“ Die Sowjets hatten aber bereits 1979 den Ostberlinern die Erlaubnis gegeben, sich an den Volkskammerwahlen zu beteiligen, und damit nach westlicher Auffassung gegen das Vier-Mächte-Abkommen verstoßen. Der Senat, der das Wahlrecht gerne durchsetzen möchte, argumentiert deshalb damit, daß die Sowjets bei der Entscheidung über das Wahlrecht nicht gefragt werden müßten. Oppositions-Chef Diepgen, der die Direktwahl kürzlich als Nebensache bezeichnete, zog sich dagegen auf das Votum der Russen zurück. Solange aus Moskau keine Zustimmung vorliege, könne es auch kein Wahlrecht für die Berliner geben.

kd/dpa

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