■ Soundcheck: Stella Chiweshe / David Grubbs, Schwermut Forrest und Mayo Thompson
Gehört: Stella Chiweshe. Dichtes Gedränge herrschte am Donnerstag abend beim Auftritt von Stella Chiweshe und ihrer Gruppe Earthquake in der Fabrik nicht. Die kleine Gemeinde, ähnelte vielmehr dem auserwählten Teilnehmerkreis einer mystischen Zeremonie. Die Königin der Mbira aus Zimbabwe sehnte sich wohl nach vergangenen Erfolgen. Vor zwei Jahren etwa, als sie auf dem überfüllten Kemal-Altun-Platz bei sommerlichen Temperaturen das Publikum zum Tanzen animierte. Dieses Mal dauerte es, bis sich Musiker und Publikum an die kalte Atmosphäre und aneinander gewöhnten. Ab dem Moment aber, wo die süßen Marimbaklänge und die metallischen spirituellen Töne des Daumenklaviers auch von den letzten Zuschauer Besitz ergriffen hatten, nahm die „Großmutter reiner Musik“ die Zuschauer auf eine Bilder-Reise nach Afrika mit. Der Komplex der polyphonen Rhythmen, die den Raum erfüllten, bewegte sich zwar zwischen Tradition und Moderne, schöpfte allerdings die Macht aus Jahrhunderte alter Tradition. Eine Tradition, die Stella Chiweshe einst auf dem Kopf stellte, als sie, den Ruf ihres verstorbenen Ur-Großvaters folgend, als erste Frau eine professionelle Mbira-Spielerin wurde. Zu der Magie der Klangfarben gesellten sich die Tänze, dievon den sechs männlichen Musikern vorgeführt wurden. Der europäische Betrachter dürfte sich dabei fragen, ob es sich bei der Choreographie um traditionelle Tänze oder um zeitgenössisches Tanztheater handelte. Nikos Theodorakopulos
Gehört: David Grubbs, Schwermut Forrest und Mayo Thompson. Im erwartungsgespannten Knust zeigte David Grubbs, welche Rock- (Saitenziehen, Flagolett-Töne, Riffs) und Anti-Rock-Effekte (Unsentimentalität, zerhackte Akkordfolgen, Gesang in Zwölfton-Reihen) auf der Akustikgitarre Zauber, Wucht und klare Formen garantieren. Grubbs spannte zwischen zwei Stücken seiner Band Gastr del Sol (den Ex-Bastros) literarische Bögen zum 17ten Jahrhundert, um die Inspiration, nicht jedoch den musikalischen Hintergrund einer Komposition aufzudecken. Zu Gehör kam so ein wunderschönes Statement zu 40 Jahren Rockgeschichte: die Gitarre nicht als Ausgangspunkt, sondern als Focus von Ideen. Und: Zur Selbsteinschätzung gehört Anmaßung aber kein bestimmtes Instrument. Danach führten Schwermut Forrest aus München Elegien und romantische Rock-Jazz-Stücke auf. Die markantesten Stellen des Quintetts bezeichneten eine Reihe Unisono-Passagen des Sängers und des Oboisten. Den Abend beschloß in der Verkleidung des um '79 erstmals in New York beobachteten, mit Nein-Sagen und Nachdenken ausgelasteten New Wavers, der Gitarrist und Sänger Mayo Thompson. Wildes, angespannt-konvulsivisches Rocken interessierte Thompson und den fulminanten Harry Wagener am Schlagzeug vor allem anderen. Mit dem Hinzustoßen von Grubbs an der zweiten Gitarre erlebte das überrumpelte Publikum die inspirierte Jam einer Gang of Three. Kristof Schreuf
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