■ Soundcheck: Selig
Gehört: Selig. Hingebungsbereit keuchten und schrien die Freunde und Freundinnen der Gruppe Selig in der Prinzenbar. Das Temperament des Publikums und die eigene juvenile Glut rissen den Sänger vor der versammelten Mitarbeiterschaft seiner Plattenfirma zu neckischen Unkonzentriertheiten hin. Der Mann hatte die Reihenfolge der Stücke vergessen. 250 Anwesende entwickelten Elterngefühle und brüllten ihm Vorschläge zu. Der Anblick war lehrreich: Dieser Mensch hatte jahrelang für Reaktionen dieser Art geübt und trainiert, Stimmbänder und Textmappe gedehnt. Im Augenblick ihres Eintretens aber fühlte er, daß hier etwas nicht stimme. Es hielt ihn einen Augenblick zu lang fest. Fast stolperte er über die Bühne, bis er den Repertoire-Zettel erreichte. Nach einem Canossa-Gang und mehreren Erkenntnisblitzen duckte sich der Sänger wieder unter den Tellerrand und wurde konstruktiv: Ballade, Schlager- und Funkeinlage und der Fetzer-Beat harrten der Aufführung. So sprach die Musik zu Selig, zu Seligs Frontmann und den Fans. Ein Abend des guten Menschen, der sich selbst vergißt, wenn er ein Wort hört: Rockpop. K. Schreuf
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