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■ SoundcheckGehört: Melissa Etheridge und Mark Stewart

Gehört: Melissa Etheridge

„Be strong“, rief sie dem Publikum zu, nachdem sie sage und schreibe zweieinhalb Stunden nonstop auf der Bühne der Sporthalle gestanden hatte. Melissa Etheridge, die Rockerin aus Leavenworth/Kansas, zerstreute jeden Verdacht, daß es für das Eintrittsgeld keine Gegenleistung geben würde. Sie sang, röhrte, schrie, wisperte, lachte, scherzte und leistete sich mit ihrer kargen Band (ein Schlagzeuger, ein Bassist und ein Gitarrist) sogar den Luxus, so echt locker zu spielen, wie es überhaupt nicht zu vermuten war für eine, die sich ihre Anhängerschaft erst gebären muß. Doch eine Anhängerschaft scheint sie in Hamburg längst zu haben: 7000 Männer und Frauen johlten vor Vergnügen, ließen sich mitreißen von einer, die in keine Schublade zu passen scheint – weder Dame noch Mädchen. Irgendwas dazwischen, wahrscheinlich eine Souveränin über das, was sie kann – und das, immer leicht wippend, in Lederhose und darüber eine sehr kleidsame Brokatbluse –, nämlich musizieren nach lautester Art. Hart und zart zugleich – von der Ballade „All The Way To Heaven“, bis zum rockigen „Your Little Secret“, dem Titelsong ihres neuesten, vierten Albums „Your Little Secret“ – ganz dem Zeitgeist der Neunziger entsprechend und dabei überhaupt nicht auf die Nerven gehend. Gelegentlich schien es, als sei man mit ihr in einem kleinen Club allein. Selten bin ich bisher bei einem Konzert gewesen, das nach kurzweiligen fünf Minuten zu Ende schien und doch bis kurz vor Mitternacht dauerte. Melissa Etheridge versprach, „soon, very soon“ wiederzukommen. Gott, was wär' ihr das Publikum dankbar dafür! Bis dahin müssen wir sehr stark sein.

Jan Feddersen

Gehört: Mark Stewart

Kir revisited. Eben diesen Eindruck hinterließ der Knust am Dienstagabend, als sich für Mark Stewart noch einmal die in den 80ern zuletzt gehäuft gesichteten Leute mit den hochgeschlagenen Lederjackenkragen versammelten. Jene Menschen, die mit zustimmendem, aber auf halbem Weg gebremstem Kopfnicken ihr verständiges Mitgehen andeuteten: cool, also attraktiv angespannt und gleichzeitig gesammelt warteten 150 BesucherInnen Mark Stewart auf. Faszination garantierte auf das erste Hören die ultra-kompetente Groovearbeit der Sugarhill Gang an Stewarts Seite. Die kräftig „new yorkischen“, das heißt malerisch bis bruitistisch zerhackten Störklirr-Sounds aus dem mitgeführten Synthesizer bedeuteten darüber hinaus nicht wenigen Anwesenden etwas für's Herz. Ehemaligen Mitgliedern von leider vergessenen Hamburger Gruppen wie Schwester, Schwester, Brosch, Mother Fist oder Cinéma Vérité leuchtete es aus den Augen. Tresenleute headbangten zu der kandidelten Agit Disco. Sie sahen an diesem Abend einen der letzten Stars, der das Publikum dazu auffordert, Forderungen zu haben.

Kristof Schreuf

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