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■ SoundcheckGehört: Holly Cole und Madredeus

Gehört: Holly Cole. Ein Abend für Stimme und das Yin und Yang aus Dur und Moll. Gleichsam aus dem Nichts heraus eroberte Holly Coles dunkler, schwerer Gesang den Raum. Atemloses Lauschen, weil sie einem nur auf halbem Weg entgegenkommt, weil Klavier und Gitarre lediglich einige Klangfarben, Bass und Schlagzeug nur ein paar Geräuschfetzen beisteuern.

Doch schon im nächsten Stück gab es kein Halten mehr: Nun schmiß sich diese Stimme, als gälte es die Quintessenz aus Linda Ronstadt, Bonnie Riatt und einem weiblichen Jackson Browne zu verkörpern, gleich der ganzen Fabrik an den Hals. Und die Band (mit einem veritablen David-Lindley-Imi-tator) ließ dazu mit deftigem Barock die Sonne nach Belieben auf- und untergehen.

So wurde es dunkel und wieder hell, war es mal kalt und mal warm, mal traurig, mal lustig. Mittendrin wähnte man sich sogar kurz bei einem Soundtrack für Katzenfutterwerbung. Und wie zur Strafe für solche Blasphemie unternahm Cole dann wirklich eine Expedition ins Tierreich: mit einem famosen „Dschungelbuch“-Auszug in der Zugabe.

Andreas Schäfler

Gehört: Madredeus. Hoch über der wunderschönen Metropole am Tejo ruht seit Jahrtau-senden die majestätische Burg Sao Jorge. Sechs Kindlein aus Lissabon liebten diese und ihre Gärten. Über viele Jahre schauten sie auf die verschlungenen Gassen unter sich oder ließen den Blick über den Fluß schweifen, und ab und zu drang zu ihnen der fröhlich-melancholische

Gesang emsiger Hausfrauen. Derart inspiriert, begannen sie, Lieder zu erfinden, die der ewigen Sehnsucht des lusitanischen Volkes Ausdruck verleihen sollten. Als sie zu Erwachsenen herangewachsen waren und vielerlei Instrumenten schönste Klänge zu entlocken wußten, und als aus dem Mägdelein in ihrer Mitte eine senhora muito bela mit einer reinen Sangesstimme geworden war – da kam ein deutscher Regisseur und bat sie, seinen Liebesfilm aus Lissabon zu bereichern.

Seitdem lieben auch die Deutschen Madredeus und kommen in Scharen – wie Dienstag in die Musikhalle. Hier und dort wischte sich mancher eine Träne aus dem gerührten Auge, und großer Jubel war der Dank für das Geschenk aus einer fernen Welt. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann haben sie noch heute Gänsehaut.nele

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