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■ SoundcheckHeute abend: Wahre Schule; Gehört: Garbage

Heute abend: Wahre Schule. Als Experten begannen, über die Perspektiven einer deutschen HipHop-Szene zu diskutieren, war man sich einig, wohlwollend abzuwarten, wie die Acts ihre unfertige, aber interessante Musik weiterentwickeln würden. Doch nach wenigen Monaten kehrte Ernüchterung ein, dann Entsetzen. Das Jahr 1996 könnte ein Wendepunkt sein.

Zu solchen Hoffnungen gibt nicht nur das famose Album von Absolute Beginner Anlaß, auch Wahre Schule aus Berlin setzen hohe Standards. Versiert verarbeiten sie verschiedene stilistische Einflüsse und verbinden die Musik mit linksradikalen Positionen. So ist ein Text über den Mitmachhunger mancher Linker in einen souligen Midtempo-Hip-Hop-Song („Alles was uns fehlt“) gekleidet. Darüber hinaus agitieren Wahre Schule gegen „eine demokratische Form des Rassismus, ÄdenÜ wir hier Kulturalismus ÄnennenÜ“.

Höhepunkt im Repertoire ist aber das Stück „Kommt eine von fern“, das sich durch ein komplexes Arrangement aus Raps und Folk-Gesängen auszeichnet. Merkwürdig nur, daß die Gruppe den Philosophen Foucault als Referenz nennt, andererseits aber in dem Stück „T.T.T.“ bekennt: „Ich hab' keine Theorie gefressen/Keine tausend, tausend Teile Theorie gefressen.“ Heute abend werden Wahre Schule wohl nicht bloß „Hey Ho“ rufen oder „Eve-rybody say: Hey Ho“, sondern: „Hey Ho, Opposition“.

René Martens

heute, 21.30 Uhr, Rote Flora

Gehört: Garbage. Eine Ecke jener rosafarbenen Federboa, die auch das Cover des Garbage-Debuts ziert, baumelt am Mikrophonständer. Leicht flattern die Federn im Luftzug einer Windmaschine und sind sowohl am einzig wohltemperierten Ort im mittwochs (nicht zuletzt dank der moderaten Eintrittspreise) prall gefüllten Docks als auch ein vieldeutiges Zeichen. Denn die Federboa gerät gleichsam zum Platzhalter für die gelegentlich im Bühnenbauch abtauchende Sängerin Shirley Manson (Foto).

Daneben steht der Flaumschal auch für den Pop-Appeal von Grunge im Jahr vier nach Nirvana. Hatte der Produzent Butch Vig (u.a. auch Smashing Pumpkins), mit dem Smart Studio doch wesentlichen Anteil an der Popularisierung von Grunge.

Daß ausgerechnet er nun mit Garbage auf die großen Bühnen tritt und mit „Supervixen“ sogar einen veritablen Hit verbuchen konnte, verdankt er Shirley Manson. Ohne die schottische Sängerin (Ex-Angelfish) wäre den Musikanten kaum dieser Erfolg gelungen.

Das schlaksige Girlie, das sich anders als bei ihrem letzten Auftritt nun sichtlich wohl fühlt, läßt die Gliedmaßen kreisen und stellt sich mit großer Geste den Scheinwerfern. Und wenn sie gerade taucht, ist da ja noch die Boa im Wind.

Volker Marquardt/Foto: jms

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