piwik no script img

■ SoundcheckBig-Cat-Festival

Gehört: Big-Cat-Festival. Es hat geregnet. Es war laut. Es wurde Bier getrunken. Es war ein Rockfestival, das vom Londoner Big Cat-Label am Sonnabend im Stadtpark veranstaltet wurde. Nicht umsonst und dennoch draußen. MTV war da und viele Isomatten. Fette Tüten wurden rumgereicht, zwischendurch Joghurt und Schinkenwürste gegessen. Ansonsten regierte das durchindividualisierte Subjekt, Baujahr 1970 aufwärts. Gespielt haben in dieser Reihenfolge: Lotion (30 Minuten, 7 Stücke), Crowsdell (40/11), Shudder To Think (40/10), Mercury Rev (50/6), Heather Nova (50/10), Blumfeld (50/8) und Pavement (50/12). Soweit die Kurzfassung.

Natürlich war was los. Nehmen wir nur mal den Auftritt von Heather Nova. Romantik pur, melodischer Rock vom Allerfeinsten – was sagen schon Worte, wenn die Gefühle so tief reingehen wie bei ihr: „I Want You to Come“? Wir wollen es dennoch versuchen. Die rockpoppigen Lieder der jungen Sängerin sind sehr sensibel und gehen trotzdem nach vorne los: einfühlsam und doch voll Power. Sie handeln von den Sehnsüchten, die wir alle haben, wenn wir nicht so gut drauf sind, aber auch sonst. Dennoch geben wir nicht auf, denn wir wissen ja, daß alles gut wird, wenn wir uns nur gut verstehen und alle gut zueinander sind. Gut, nicht, Heather, Du Poesiebuch-Göttin? Edel sei der Mensch, hilfreich und . . . menschel nur weiter, dann kannst Du demnächst Deinen verlogenen Scheiß im Volksparkstadion ablassen.

Daß wahre Liebe auf den Barrikaden gedeiht, bewiesen Blumfeld. Sänger Jochen Diestelmeyer dauerrotzte so erfrischend die Bühne voll, daß einem um die Revolution nicht bange war. Wer kann dazu schon nein sagen? Viele Jungmänner im Publikum beschlossen spontan, sich die Ziegenbärte abzunehmen und weniger Gatorade zu trinken. Was bei Pavement eh nicht mehr helfen würde. Sobald sie auf der Bühne stehen, kennen sie kein Morgen mehr und spielen sich um Kopf und Kragen. Sänger Steve Malkmus hatte einmal mehr eine kniekaputte Jeans an, was auf Rebellion hinwies und auch so verstanden wurde. Mit einem „Heute war es der Stadtpark, morgen ist es die ganze Welt“ zogen die Dissidenz-Bataillone zufrieden ab. Prima Festival zum Schluß.

Clemens Gerlach/Foto: jms

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen