■ Soundcheck: Gehört: Little Richard / Chuck Berry
Gehört: Little Richard/Chuck Berry. Legende Jerry Lee Lewis kam nicht. Ex-Star-Club-Besitzer Horst Fascher, der das „Legenden des Rock'n'Roll“-Festival organisiert hatte, lieferte am Sonntag auf der Stadtpark-Bühne den vermeintlichen Grund gleich mit: „Er konnte wegen schlechtem Wetter Malmö nicht verlassen.“Da lachte, wer sich auch nur grob mit dem unberechenbaren Menschenfeind des Rock'n'Roll auskannte: Mister „Great Balls Of Fire“hat und ist seit 40 Jahren schlechtes Wetter! Was war also passiert? Hatte er sich mit der Gage abgesetzt? War er einer 12jährigen verfallen? Oder hatte er einen Zimmerkellner erschossen, weil das Bier zu warm war?
Egal! Es spielten schließlich noch zwei weitere Überlebende der größten Musikrevolution des Jahrhunderts. Und zumindest Little Richard ließ an seinem Wert keinen Zweifel aufkommen: „Ich bin der Architekt des Rock'n'Roll“, erklärte er, als er wie ein südamerikanischer Diktator im weißen Glitzerkostüm und mit hochgerissenen Armen die Bühne betrat. Dazu paßte die Band, die anschaulich Macht durch Masse zeigte: Alles war zweimal vorhanden, Saxophon, Piano, Gitarre, Baß und Schlagzeug. Als Little Richard kleine Bücher zum Thema Erlösung verteilen ließ, wurde auch klar, woher die ungeheure Energie kam: von Jesus. Dies war kein Rock'n'Roll, sondern Gospelrock. Aber der funktionierte.
Im Vergleich dazu wirkte Chuck Berry wie ein pensionierter Binnenschiffer, der in seiner Freizeit Rock'n'Roll spielt. Die Kapitänsmütze wirkte abgewetzt, die Band wie seine Hausangestellten: ein Gärtner (Baß), ein Koch (Schlagzeug), ein Steuerberater (Piano). Aber was solls? Mit seinen 71 Jahren ist der hochgewachsene Schwarze der Inbegriff des gereiften Bluesers, der die Show auch alleine mit seiner Gitarre schmeißen kann. Und während hinter ihm die Band bodenständig, zuverlässig und unauffällig den Rhythmus zurechtklopfte, machte er genau das: Zu inbrünstig gegrummelten Meisterwerken wie „Memphis Tennessee“, „Sweet Little Sixteen“oder „Havanna Moon“ließ er die Gitarre in exakt plazierten Dosen aufheulen, schnarren und krächzen. Zernarbten Melodien folgten lärmende Splitter oder fast atonales Gehuste, und alles atmete und bebte und fuhr dahin auf breiten, leeren Straßen voller Schlaglöcher der Geschichte. Als am Schluß das Publikum auf der Bühne tanzte, während Berry in einem 10-Minuten-Solo alle Untiefen des Rock'n'Blues durchfuhr, war es einen Moment unwirklich wirklich: So muß einst Rock'n'Roll gewesen sein. Überwältigend. Peter Lau
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