■ Soundcheck: Gehört: Laurie Anderson
Gehört: Laurie Anderson. Mrs. Anderson ist eine Frau, die sich zu helfen weiß. Wenn sie beispielsweise deutschen Journalisten so lange Interviews geben muß, bis alle Restaurants geschlossen haben, macht sie sich einfach einen „Hotel Hot Dog“: Von der Nachttischlampe wird das Kabel abgeschnitten, vom Kabel die Isolierung entfernt, auf die Drähte die Wurst gefädelt, die Drähte verknotet, in die Steckdose gesteckt und – voilá la Bratwurst. Zur Technik hat die Dame aus New York offensichtlich ein entspannt-pragmatisches Verhältnis. Kochrezepte sind ihre große Leidenschaft, wie sie am Freitag das Publikum in der gut gefüllten Fabrik unter Hinweis auf ihre home page informierte. Aber das Konzert wurde dann doch kein cook in, sondern eine musikalisch unterlegte Vorlesung über die digitale Revolution. Hunger, sagt Laurie Anderson, haben die Menschen heute nach Information und noch mehr nach neuem technischen Equipment. Längst befänden wir uns auf einer wreckless road to nowhere“.
Was genau die Performerin über Furcht und Elend der digitalen Revolution vermitteln wollte, wurde auch beim wiederholten Trockeneis-Einsatz nicht deutlich. „Ich erinnere mich meiner Herkunft“, begann sie den Erzählabend mit gesampeltem Glockengeläut eindringlich. Was allerdings ihr Leben im Elektronikpop-Univer-sum angeht, ist sie dort, wo sie herkommt, auch geblieben: mit Syntheziser, geläuterter Punkfrisur und E-Geige in den frühen achtziger Jahren. Nur daß ihren Geschichten nicht mehr das Irritierende amerikanischen Beiläufigkeitswahnsinns anhaftet, weil sie statt Paranoia Moral transportieren. Und daß die Musik, Rhythmus' und ihres unheimlichen Untersogs beraubt, zur Geräuschbegleitung reduziert wurde. Laurie Anderson ist zweifelsohne eine große Künstlerin, aber derzeit scheint sie auf der Road to Nowhere ein wenig verloren gegangen zu sein. ck
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