■ Soundcheck: Morrissey
Gehört: Morrissey. Elftes Gebot: „Du sollst keinen sexy Menschen in deiner Nähe dulden, wenn du auf der Bühne stehst.“Das muß Morrissey denken, als er zur Zugabe, mit frischem Hemd, das Publikum in der Großen Freiheit belobigt: „You've been very sexy tonight“. Scheinbar belobigt natürlich, denn nach einer Pause fügt er hinzu: „That's me“, und nach dem furiosen Smiths-Hit „Shop-lifters Of The World Unite“fällt endlich das Hemd.
In seinen Konzerten sind Fans und Star vereint in Ritualen: In Fußballchören skandieren sie des Sängers Namen, Blumen und Briefe fliegen auf die Bühne.
„Morrissey, der Kontroverse“bleibt ebenso außen vor wie „Morrissey, der Jammernde“: Der Abend gehört „Morrissey, dem (zölibatären?) Sexgott“. Das Mikrophon ist für ihn Peitsche und Phallus, er zieht Zuschauer auf die Bühne, die ihn innig umarmen dürfen, bevor die Security ihren Job tut. Menschen um die 30 verfallen in eine Art stille Hysterie. Dabei ähnelt Morrissey im Profil immer mehr dem Mann, der sich in den Achtzigern fast antithetisch zu ihm verhielt: Henry Rollins.
All das könnte grotesk wirken, wäre Mozzer nicht so ein fabelhafter Sänger, der Pathos und Aggressivität genau zu dosieren weiß. Begleitet wird er von einer Rockband, die auch – äh – Tom Pettys Lieder spielen könnte. Da erhält der Gitarrist Szenenapplaus für das notengetreue Nachspielen von Johnny Marrs Glam-Solo im Smiths-Song „Paint A Vulgar Picture“. In solchen Momenten kauert Morrissey mit dem Rücken zum Publikum, und vielleicht ist er so gerührt wie seine Fans. Rituale haben eben ihren tieferen Sinn – für Eingeweihte.
Felix Bayer/ Foto: jms
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