■ Soundcheck: Anthony Coleman und Roy Nathanson / Olodum
Gehört: Anthony Coleman und Roy Nathanson.„Japanese Birds . . . Peanuts . . . Cousins . . . the question of the need of cousins“, leitete Roy Nathanson eines der von ihm und Anthony Coleman Donnerstag im Westwerk aufgeführten Stücke ein. Geschichten, die Nathanson mal zusammenhangsvoller erzählte, wurden jetzt nur noch als Summe ihrer Schlüsselwörter präsentiert. Als Parabeln mit klamottigen Zerfahrenheiten nahmen sich denn auch die nächsten Stücke aus. Die beiden Musiker beherrschten die Kunst, sich schimpf- und schandelos im eigenen Können zu suhlen. Das Duo signalisierte mit einem kleinen Keyboard, Posaune und zwei Saxophonen, daß auch die nervenreizendsten Stilsprünge und die schrecklichschönsten Taktverschiebungen nicht verhindern, den Ausführenden selbst manchmal ein wenig müde werden zu lassen. So klangen die letzten zwei von acht Kompositionen nach dem Zustand, der einen nach 30 Stunden Wachphase ereilt: das Gefühl, aus der Welt gehoben zu sein, geht mit dem Impuls einher, sich in aller Milde selbst zu vergessen und es auszuhalten, alles oder fast alles anzuschauen. Roy Nathanson wechselte behende zwischen diesem Zustand und anderen. Der gelassen meisterhafte Blechbläser ließ Bemerkungen über seine Teilnahme an den lächerlichsten Jazz-Festivals fallen und plauderte off stage mit dem taz-Fotografen JMS. Ein Erlebnis, Musiker zu hören, die aus dem Stegreif in der Lage wären, mit Kollegen aller E- und U-Richtungen sowie aus deren Subgenres zusammenzuarbeiten. Wieso spielt eigentlich nur Branford Marsalis mit Grateful Dead zusammen?
Kristof Schreuf/Foto: jms
Gehört: Olodum. „Wir sind der Friede und die Liebe, und mit unserem starken Gesang erobern wir das Universum. Wir kämpfen für die Freiheit und die Gleichheit. Wir sind die Negritude der 90er Jahre. Wir sind die Kinder der Sonne.“ So lyrisch definiert Tania Santana, die Sängerin von Olodum, die Musik der brasilianischen Gruppe, die am Donnerstag die gutbesuchte Fabrik in rhythmische Zuckungen brachte. Dabei trommelte die achtköpfige Rhythmusgruppe den Gesang, Saxophon und Keyboard über weite Strecken schlicht nieder, weil der sonst sorgfältige Soundcheck nach dreistündiger Verspätung durch Stau auf der Herfahrt von Dresden extrem abgekürzt worden war. Wer darob nicht in Techno-Trance verfiel, konnte sich an den artistischen Showeinlagen und der sexbetonten Choreographie eines Paares aus der gruppeneigenen Tanzschule delektieren. Mit selbstentworfener Kleidung und selbstgebauten Trommeln, mit ihren sozialen Projekten in Salvador de Bahia und ihrer Musik verkündet Olodum auch im 15. Jahr seines Bestehens: A luta do povo continua – der Kampf des Volkes geht weiter. Hajo Schiff
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