■ Soundcheck: Los Lobos in der Fabrik
Gehört: Los Lobos in der Fabrik. Bekanntlich grassiert in Deutschland das Mambo-Fieber. Vielleicht war die Fabrik deshalb trotz Fußball-Live-Übertragung so gut gefüllt. Schließlich waren in der Stadt Plakate geklebt worden, auf denen vier Comic-Figuren mit Sombreros und Ponchos zu sehen waren, dazu der Hinweis auf „La Bamba“. Freunde der aktuelleren Platten der Lobos fragten sich eher: Wie wollen sie das live bringen? Die Samples und crazy Sounds natürlich sowieso nicht, aber was dann, in welcher Abteilung ihrer riesigen musikalischen Schatzkammer würden sie ihr Hamburger Publikum mitnehmen?
Erstaunliche Antwort: in fast alle. Nachdem sie sich mit ein paar kürzeren, von ihren früheren Platten bekannten R&B-Krachern warm gespielt hatten, ließen der alles überstrahlende Sänger und Gitarrist David Hidalgo und seine fünf (nicht etwa drei, wie von den Plakaten her zu erwarten gewesen wäre) Mitmusiker kaum etwas aus: weder die kühnen Blues-Abstraktionen ihrer ausgezeichneten neuen Platte This Time noch Corona-selige Polkas, weder Singalong-Standards wie „Tequila“ oder „Not Fade Away“ noch eine ausgedehnte Version des Grateful-Dead-Songs „Bertha“. Spätestens an dieser Stelle wurde klar, wieso Hidalgo eine Zeit lang als Nachfolger des verstorbenen Grateful-Dead-Leaders Jerry Garcia gehandelt wurde. Dem oft und oft zu Recht gescholtenen Klischee „Rock-Gitarren-Solo“ gab der beleibte Mann seine Daseinsberechtigung und seine Würde zurück.
Auch wenn sie auf „La Bamba“ verzichteten – das auf Blues-Rock oder Latin-Sentiment ausgerichtete Publikum kam voll auf seine Kosten. Als altmodische oder gar Retro-Band sollte man die Lobos dennoch nicht missverstehen, hatte ihr Auftritt doch eine ganze Menge Antworten auf Fragen parat, die die Post-Rock-Fraktion leider nie zu stellen wagen wird.
Detlef Diederichsen
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