Soundcheck:
Gehört: Rollins Band, Jazz-Port Festival. „Stop, look, listen!“, skandiert der Autor, Schöngeist und Gewichtheber Henry Garfield, besser bekannt als Rollins, oder „Pater Familias“ des Punk. Und gibt damit die Marschroute für die Late Night im Zelt an den Deichtorhallen vor. Eine fast dreijährige Pause hat er sich gegönnt von den harten Klängen. Stattdessen tourte der „Think Tank“ mit seinen „Spoken Word Performances“ durch die Staaten. Programmatisch dann der Titel des neuen Albums: Get Some Go Again. Und das tut er dann auch. Straight geht es los, die Hot Animal Machine nimmt die Grundhaltung tief in der Hocke ein, rotzt und schüttelt den 80er Punkrock locker aus dem Knie. Und das, obwohl Mr. Rollins im kommenden Februar die 40 droht. Doch was soll es, Respekt gebührt den alten Herren: „You have seen Tony Bennett, too? He is playing gigs since he is fucking alive, man!“
Fucking lebendig ist er: „We kick your fucking ass!“, bellt der Coltrane-Fan. Und das Publikum freut sich. Viele sind nicht gekommen, nicht annähernd halb voll ist es zu später Stunde. Um so erstaunlicher, wer so alles das tätowierte Schnitzel sehen will: Keine Bodybuilder-Fraktion, kaum kahlgeschorene Hardcore-Freaks. Arg brave Gesichter holen sich ihren ass kick ab, in beigen Sommermänteln oder Karo-Pullundern. Menschen trinken Weißwein aus Gläsern. Harder and harder, hier lässt sich der Bank-Angestellte einmal so richtig das Brett verpassen.
Und das bekommen sie, das Waschbrett. Physisch ist sein ganzes Auftreten: Er stampft, reißt seinen schweren Körper herum, tänzelt wie ein Boxer über die Bühne, als wolle er seine neue Band mit dem Körper dirigieren. Hier wird Handarbeit geleistet, keine Samples, keine Lichtshow, alles reine Kraft. Den 80er-Rock prügelt seine neue Rollins Band, die L.A.-Jungs von Mother Superior, aus sich heraus. Erstaunlich, dass es sowas noch gibt: Musiker in aufgeschnittenen Jeans und mit Stirnbändern. Mit allem Ernst wird hier noch der Hardrock gepflegt, in Zeiten wo Spaßvögel wie Limp Bizkit zu Szene-Helden erkoren sind. Also zieht sich der wütende Literat sein einziges Kleidungsstück – hatte er diese kurze Hose eigentlich auch in Scheessel an? – ein wenig tiefer und zeigt es den jungen Hüpfern, wettert gegen Rassismus und Intoleranz.
Also doch: Das härteste Jazz-Album der Welt. Nach nur 75 Minuten ist alles vorbei, und es war gut, denn es war hart. Und ganz nebenbei: Fett ist er geworden, da schwabbelt es leicht am Waschbrett-Bauch. Aber das nur der Gerechtigkeit halber.
Volker Peschel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen