: Songs aus dem zweiten Stock
Man schaut den Mond an und ist zufrieden: Sie hat eine sanfte Stimme und begleitet sich selbst an Orgel, Klavier und Gitarre. Ein Porträt der in Berlin lebenden italienischen Musikerin Sonia Brex
von JENNI ZYLKA
So etwas kommt im allerbesten Fall dabei heraus, wenn Frauen sich zu Hause hinsetzen und auf dem Keyboard herumklimpern: From Chanson to Electro gehe sie, sagt Fräulein Sonia Brex, Sizilianerin, seit 13 Jahren in Berlin, nahezu fließend in drei Sprachen. Zuhause ist eine Wohnung im Prenzlauer Berg, vorne, hinter den Fensterscheiben, die Straße voller Jungvolk und glücksuchender Touristen, drinnen, hinter den Gardinen, viel Musik und Sophistication.
Sonia Brex hat in Bands gespielt und Background gesungen, Rock gemacht, damals, Anfang der Neunziger, als Berlin plötzlich größer wurde. Sie hat in Cafés gejobbt, Musik für Performances komponiert, alles auf Keyboard und Rhodes (E-Piano), Gitarre und Drumcomputer. Es gab das Trio „Miss Cotta“, Sessions mit „Rechenzentrum“. Zusammen mit der Modedesignerin Miss Lata hat sie Modenshows mitgestaltet, hat stolz deren bunt-sperrige Second-Chance-Kreationen getragen und sie musikalisch inszeniert.
Sie wolle nicht mehr mit einer Band spielen, sondern lieber ihr Soloprojekt machen, sagt Fräulein Brex nun und rührt im Tee, und es klingt wie: keine Kompromisse mehr. Endlich das realisieren, was ihr im Kopf herumgeht, nicht mehr abhängig sein von den Schedules verschiedener Leute, von Übungsraum und guter Stimmung innerhalb der Gruppe. Gegenüber dem Sofa stapeln sich CDs, Kruder & Dorfmeister liegt da, Paolo Conte, Björk, Jazzgeschichten. An der Wand eines der beiden Arbeits- und Wohnzimmer hängt eine riesige Europakarte.
Do you need an excuse to stay inside?, fragt Sonia Brex in „Winter in Summer“, dem Titelsong ihrer in Eigenregie aufgenommenen Debüt-CD. Natürlich klingt die CD nach Wohnzimmer. Nicht nach Wohnzimmer-Sound, diesem extra Low-Fi-Berlin-Boom, mit dem seit ein paar Jahren diverse Bands experimentieren. Sondern eher nach dem, was in diesem Wohnzimmer gedacht und geredet wird: nach Sehnsucht, Liebe, komischerweise auch nach Natur und Großstadt gleichzeitig.
Wieso sie dann nicht auf dem Land lebe? Warum, sagt Sonia, im Gegensatz zu anderen Großstädten sei Berlin doch ganz schön grün. Stimmt auch wieder.
In „La Luna Vera“, dem einzigen italienischen Stück auf „Winter in Summer“, habe sie über den Mond gesungen, erzählt Sonia, man schaue den Mond an und sei plötzlich ganz ruhig und zufrieden. So ruhig und zufrieden klingen auch die Songs. Ihre Stimme ist die sanfte Stimme einer Frau Mitte 30, weder eine dieser hohen Pipimädchen-Voices noch einer der Kinderstimmen, wie sie Björk hat. Dazu begleitet sie sich an der Orgel, am Klavier und der Gitarre. Sonia Brex hat die Songs vorher genau im Ohr, und sie hat die Chills, sie umzusetzen: Die minimalistisch eingesetzten Instrumente klingen nie nach Gedudel, immer durchdacht, das Klavier setzt Akzente, irgendwo schweben Geigen vorbei. Im Hintergrund rumpelt ein langsamer Dancefloor-Beat.
Trotz Hippiethemen, Mond, Ruhe, Mood und so weiter versuppt kein Stück im Kitsch. Man kann dazu chillen, wenn man möchte, denn Sonia Brex hat mit Loops experimentiert, ein paar ihrer Songs sind Tracks. Aber erzählende Tracks, elektronische Märchen, kleine, teilweise persönliche Betrachtungen und nicht nur Geräusche. Und Sonia Brex kann mit ihrer Stimme spielen wie mit einem Instrument. Mal berichtet sie, mal klagt, mal gurrt sie.
Auf dem Cover ihrer CD steht Sonia Brex etwas verloren vor dem Fernsehturm und guckt irgendwo in Richtung Osten, es wirkt fast wie ein Mode-Shooting, die Architektur macht das Bild futuristischer, als es gemeint ist. Am Donnerstagabend auf der Bastard-Bühne könnte sie vielleicht ebenfalls etwas verloren, selbstvergessen wirken, wie sie mit ihren verschiedenen elektronischen Dienern hantiert, ein paar Tasten drückt, den Drumloop regelt. Aber man soll sich nicht täuschen lassen: Sonia Brex weiß genau, wohin die Reise geht. Sie hat es bloß nicht nötig, das laut herauszuposaunen.
Donnerstag, 29. 5., 21 Uhr, mit Kostümkunst von Miss Lata, Videovisuals von Elisa Mishto, Bastard im Prater, Kastanienallee 7–9, Prenzlauer Berg