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Sonderwirtschaftszonen gegen die KriseChina und Indien als EU-Vorbild

Geringere Steuern, weniger Auflagen, Treuhandanstalten: Mit Sonderwirtschaftszonen in krisengeschüttelten EU-Staaten will die Bundesregierung Wachstum schaffen.

Athen: Entsteht hier bald auch eine Sonderwirtschaftszone? Bild: dapd

Es wäre ein radikaler Plan gegen die Krise: Nach Informationen des Spiegels schlägt die Bundesregierung vor, in krisengeschüttelten Randstaaten der Währungsunion sogenannte Sonderwirtschaftszonen einzurichten.

Dort sollten niedrigere Steuersätze und wenige Regulierungen gelten. Das solle ausländische Investoren anlocken und so mehr Wachstum zu schaffen, schreibt das Magazin unter Berufung auf einen Sechs-Punkte-Plan der Regierung.

Daneben schlage die Regierung die Schaffung von Treuhandanstalten und Privatisierungsfonds vor, damit Krisenländer Staatsbetriebe leichter verkaufen können. Zudem könnten die Wackelkandidaten der Eurozone das deutsche duale System der Berufsausbildung übernehmen und den Arbeitsmarkt nach deutschem Vorbild reformieren, hieß es weiter.

Regierungssprecher Steffen Seibert wollte die Existenz eines solchen Papiers weder bestätigen noch dementieren. „Die Bundesregierung denkt intensiv darüber nach, wie Wachstumsimpulse gesetzt werden können“, sagte er allgemein – um dann auf Nachfrage zum Thema Sonderwirtschaftszonen zu ergänzen: „Dieses Nachdenken muss ein breites Nachdenken sein.“ Vorstellen will die Regierung ihr Konzept für mehr Wachstum in Europa im Juli.

Der CDU-Abgeordnete und Vorsitzende des Bundestags-Europaausschusses, Gunther Krichbaum, kann sich mit der Idee von Sonderwirtschaftszonen unter bestimmten Bedingungen anfreunden: „Wenn es klug ausgestaltet ist, kann ein solches Vorgehen Kapital ins Land zurückholen und den Teufelskreis aus Arbeitslosigkeit und Schulden durchbrechen“, sagte er der taz.

Verstoß gegen EU-Wettbewerbsrecht?

Sonderwirtschaftszonen sind abgegrenzte Gebiete innerhalb eines Staates, in denen rechtliche Erleichterungen für Investoren bestehen, etwa beim Steuer-, Arbeits- oder Umweltrecht. Bisher wurden sie vor allem in Entwicklungsländern eingerichtet, unter anderem in China und Indien.

Sie sollen die wirtschaftliche Entwicklung beschleunigen und wurden in der Vergangenheit auch von der Weltbank propagiert. Weil sie Sozial- und Umweltstandards unterhöhlen und den Druck zu einer allgemeinen Senkung von Unternehmenssteuern erhöhen, werden sie vielfach kritisiert – so sieht die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) darin eine Gefahr für Arbeitnehmerrechte.

Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hatte Sonderwirtschaftszonen bereits im vergangenen Jahr bei einer Reise nach Griechenland ins Gespräch gebracht. In einem späteren Papier seines Ministeriums war der Vorschlag dann allerdings nicht mehr aufgetaucht.

Ob die Idee diesmal Bestand hat, ist ebenfalls zweifelhaft. Der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Martin Kotthaus, wies am Freitag darauf hin, dass die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen mit Steuervorteilen vermutlich gegen das Wettbewerbsrecht der Europäischen Union verstößt.

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5 Kommentare

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  • G
    Gabriel

    Diese Zonen können zeitlich begrenzt eingerichtet werden. In anderen Staaten gibt es das auch. Sinnvoll wäre ebenso, die Korruption in Griechenland und Italien konsequenter zu bekämpfen. Bei Transparency International liegt z.B. Polen auf Platz 41 - (Korruptionsindex, 1 = bester Platz) und damit noch weit vor alten EU-Ländern wie Italien (61) und Griechenland (80). Polen hat auch eine positive Wirtschaftsentwicklung von +4% pro Jahr. Es geht also.

  • F
    frei

    zum glück gibt es die piraten, die sich wie immer kompetent zu diesem neoliberalen scheiss äußern.

  • S
    Sepe

    Alleine die Möglichkeit solche Zonen in Europa einzurichten, ist ein riesiger Skandal. Hier geht es um nicht viel weniger als einen Angriff auf die innerhalb von Jahrzehnten erkämpften arbeits- und umweltrechtlichen Bestimmungen. Und wofür? Wer einen Blick in die Sonderwirtschaftszonen Südostasiens wirft, sieht dort was? Ausbeutung von Mensch und Natur.

    Hier zeigt sich ein weiteres Mal: Wachstum um jeden Preis! Wachstum als Selbstzweck und ohne Rücksicht auf Verluste. Wie viel Sinn hinter steckt, das wird nicht gefragt, Hauptsache man kann internationalen Konzernen im Wettlauf nach unten soviele Zugeständnisse machen wie möglich. Europa vergisst hierbei: Auch in Sonderwirtschaftszonen wird kein Europäer für 120 Euro im Monat Handys zusammenschrauben. Und solange das (glücklicherweise) noch nicht der Fall ist, handelt es sich bei diesen Zonen lediglich um Steuergeschenke für eh schon viel zu reiche Konzerne, mit denen insgesamt niemandem geholfen ist.

  • S
    sozialabbaugeschädigte

    das klingt ja so, als würden jetzt anlässlich der finanz-/eurokrise endlich die feuchten träume der unternehmer_Innen-lobby wahr. na so ein zufall aber auch! keine steuern mehr zahlen, dafür aber flächendeckend niedrigstlöhne bei null arbeiter_Innenrechten und betriebsrats- und gewerkschaftsfreier zone. wie wär`s mal mit widerstand?!

  • S
    Schocktherapie

    Mal wieder nutzt der Neoliberalismus die Chance, eine Krise für ihre zerstörerische Ideologie zu instrumentalisieren.

    Die Insel des Wohlstands werden kleiner, die dritte Welt rückt näher.

    Alles alternativlos selbstverständlich.