■ Sommerloch gibt's wirklich: Größe: 252,55 Hektar
Sommerloch (dpa/taz) –In Rheinland-Pfalz erlebt ein kleines Dorf einmal jährlich eine mehrwöchige Karriere: Sommerloch. Doch die 420-Seelen-Gemeinde bei Bad Kreuznach als Überbrückungshilfe für das Sommerloch zu nutzen, war keine Erfindung von Redakteuren. „Schon Anfang der achtziger Jahre hatte die Allianzversicherung unsere Gemeinde auf der Landkarte ausfindig gemacht und in den Sommermonaten besonders eifrige Kollegen schließlich zur Prämiierung nach Sommerloch eingeladen“, erzählt Bürgermeister Ferdinand Keber (54). Erst am Ende des Jahrzehnts kamen auch Reporter und Fotografen in das idyllische kleine Winzerdorf. Und so wurden Kürbisse, Zucchini und die Fässer der 13 Winzer gezählt.
Der Name Sommerloch stammt von dem altdeutschen Summerlache, was soviel bedeutet wie nach Süden (sumer) gelegene Mulde (lache). „Die Mulde“, berichtet Keber, „existiert auch heute noch. Vor Jahren stand da noch Schilf, gab es eine Quelle.“ Erwähnt wurde Sommerloch alias „Sumerlachen“ erstmals am 22. Mai 1211 im Güterverzeichnis des Klosters Eberbach im Rheingau, das an der Nahe Weinberge erworben hatte. Das real existierende Sommerloch ist 252,55 Hektar groß. 107,27 Hektar davon sind nach einer Statistik aus dem Jahr 1989 Weinberge. Zwei Gaststätten gibt es – Mahlzeiten sollten besser vorbestellt werden –, 25 Gästebetten, eine Kirche, eine Telefonzelle und einen Metzgerladen.
Einige Arbeitsplätze bieten ein Installationsbetrieb und eine Firma, die Fenster herstellt, nur ganz wenige Sommerlocher sind arbeitslos, zwei Familien erhalten Sozialhilfe.
Auch wenn die meisten Sommerlocher PendlerInnen sind, ist Sommerloch selbst im Sommerloch keine sogenannte Schlafgemeinde. Der Dorfverschönerungsverein, der Sportverein und die sogenannte Zwitscherstube, ein lockerer Zusammenschluß von Sommerlochern, die gern zusammensitzen, reden und einen „zwitschern“, sorgen für ein lebendiges Dorf. Außerdem hat Sommerloch zwei Naheweinköniginnen, Andrea I. und Marie Antoinette, hervorgebracht. Ganz ungewöhnlich: Als Nachfahren der mittelalterlichen Zunftmitglieder sorgen die Männer der Gemeinde auch heute noch selbst dafür, daß die Gräber für Verstorbene ausgehoben und die Toten von ihnen zur letzten Ruhe getragen werden.
Zu melden aus Sommerloch wäre noch, daß die Wahlbeteiligung für den Ortsbeirat beständig um 90 Prozent pendelt und daß der Rat keine Fraktionen hat. „Bei uns werden die Vertreter der Bevölkerung gewählt, indem wir einen Namen auf den Stimmzettel schreiben“, erläutert CDU-Mitglied und Bürgermeister Keber. Freunde von Sommerloch gebe es zwischen Flensburg und Berchtesgaden, denn so weit werde der Wein von den Hängen des Soonwaldes geliefert.
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