Somalias Regierung: Noch ein Jahr Durchwursteln
Die international anerkannte Regierung Somalias verlängert in Uganda die Amtszeit des Präsidenten um ein Jahr. Bis dahin sollen die Islamisten besiegt sein.
KAMPALA taz | Spät, aber besser als gar nicht haben Somalias international anerkannter Präsident Sheikh Sharif Ahmed und dessen Gegenspieler in den staatlichen Institutionen, Parlamentssprecher Sheikh Hassan Aden, in Ugandas Hauptstadt Kampala ein Abkommen unterzeichnet.
Der Beschluss: Die Amtszeit der Regierung um ein weiteres Jahr zu verlängern. Sie wäre eigentlich am 20. August abgelaufen, im Juli hätten demnach Wahlen stattfinden sollen, auch wenn der Bürgerkrieg im zerfallenen und zu großen Teilen von islamistischen Rebellen kontrollierten Somalia dies faktisch unmöglich macht.
Die Debatte über die Verlängerung der Übergangsphase hatte vergangene Woche die Tagung der Internationalen Somalia-Kontaktgruppe in Kampala dominiert. Drei Tage lang diskutierten Vertreter von Somalias Regierung und des Parlaments, des UN-Sicherheitsrats sowie die Präsidenten von Uganda und Burundi, die die in Somalias Hauptstadt Mogadischu stationierte Friedenstruppe der Afrikanischen Union (Amisom) stellen, über die Zukunft des gescheiterten Staats. Dabei fielen deutliche Worte.
Der Stabilisierungsprozess werde durch "peinliche interne Streitereien zwischen Somalias politischen Führern" behindert, kritisierten Delegierte aus Norwegen. Dies bezog sich auf den Zwist zwischen Präsident und Parlamentssprecher. Das Parlament hatte im Februar eigenhändig seine Legislaturperiode um drei Jahre verlängert, bestand aber darauf, im Juli einen neuen Präsidenten zu wählen.
"Gewaltiger Durchbruch"
Präsident Sheikh Ahmed hingegen forderte, seine eigene Amtszeit um ein Jahr zu verlängern: "In Anbetracht des sichtbaren Fortschritts am Boden ist dies nun der denkbar schlechteste Moment für uns, durch interne politische Spaltungen abgelenkt zu werden", erklärte er. Die Zeit für Wahlen sei reif, "wenn wir Mogadischu befreit haben".
Deswegen bezeichnet der UN-Sondergesandte für Somalia, Augustine Mahiga, das Abkommen gegenüber der taz als "gewaltigen Durchbruch". Er sowie Ugandas Präsident Yoweri Museveni sind Zeugen des Abkommens, das in der Nacht zu Donnerstag unterzeichnet wurde. Es wurde ein Kompromiss zur Rolle des Premierministers erzielt, der bislang nach Ansicht von Parlamentariern dem Präsidenten zu nahe stand.
Im Abkommen heißt es nun: "In den nächsten 30 Tagen wird der Premierminister entlassen und der Präsident ernennt einen neuen Premier. Das Parlament wird diesen in einem Zeitraum von 14 Tagen im Amt bestätigen". Ein Aktionsplan legt fest, dass bis Juli ein Verfassungsentwurf vorliegt, den das Parlament im Mai 2012 absegnet.
Drohung mit "Anarchie"
Mit dem Abkommen hat sich Museveni durchgesetzt. Er hatte vergangene Woche gewarnt: "Wenn die Institutionen nun aufgelöst werden, bedeutet dies, dass wir unsere Truppen abziehen müssen, weil wir keinen Partner haben." Für Somalia bedeute dies "Anarchie".
Um dieser Drohung Nachdruck zu verleihen, verwiesen Museveni und sein somalischer Amtskollege Sheikh Ahmed auf die Erfolge der Amisom-Truppen in Mogadischu: Das Verteidigungsministerium sowie der berüchtigte Bakara-Markt, Hauptumschlagsplatz für Waffen, seien erobert worden. Das UN-Büro für Somalia meldet, über 60 Prozent der Bevölkerung Mogadischus lebe nun in Amisom-kontrollierten Gebieten, nicht mehr unter Kontrolle der radikalislamistischen Schabaab-Rebellen. Somalias Regierungsarmee, die jahrelang nur auf dem Papier existierte, habe mittlerweile eine Truppenstärke von über 10.000 erreicht.
Doch erst diese Woche starben erneut fünf ugandische Soldaten in Kämpfen in Mogadischu. Die Amisom-Eingreiftruppe zählt mittlerweile über 9.000 Soldaten. Weitere 3.000 soll Uganda noch entsenden.
Leser*innenkommentare
tim
Gast
Natürlich ist Somalia eines der katastrophalsten Beispiele staatlichen Niedergangs. Die Forderungen der internationalen Gemeinschaft erscheinen mir aber teils gerade zu zynisch. Die innenpolitische Entwicklung des Landes mit Waffen zu bekämpfen ist ja bereits in den 90ern gründlich gescheitert...
Wie der in der Tat desolate Zustand des somalischen Staates allerdings ausgenutzt wird ist erschreckend! Das die illegale Fischerei in den somalischen Hoheitsgewässern nicht bloß gebilligt wird sondern riesige Trawler (teils aus dem ach so kritischen Norwegen) gegebenenfalls sogar durch internationale Flottenverbände geschützt agieren ist seit Jahren bekannt und dennoch weiterhin praktiziert...
Hier ein aufschlussreicher Hintergrundbericht:
http://www.eufrika.org/wordpress/2011/05/internationale-fangflotten-vor-somaliaund-ihr-illegales-geschaft-mit-dem-fisch/