■ Das Ausland zieht sich immer weiter aus Liberia zurück: Somalia ist kein Modell
Die unmittelbare Katastrophe ist abgewendet, aber die Krise ist nicht vorbei. Ghanas Regierung hat die mehreren tausend Flüchtlinge aus Liberia zwar von ihrem sinkenden Schiff heruntergeholt und an Land gelassen – aber unter der Bedingung, daß die UNO ihre Versorgung komplett übernimmt. So entsteht eine Art exterritoriales Liberia auf fremdem Boden, abgeschirmt von der normalen Welt durch ghanaische Soldaten. Den Liberianern muß das vertraut vorkommen, spiegelt es doch die Verhältnisse in der liberianischen Hauptstadt Monrovia wider, vor denen sie geflohen waren.
Die andauernde Massenflucht von Zivilisten aus Monrovia ist ja nicht zuvörderst ein Ergebnis des Bürgerkrieges, der schon sechs Jahre andauert, sondern die Folge des fast kompletten Abzugs aller ausländischen Hilfswerke und der UNO aus der Stadt nach Beginn der jüngsten Kämpfe zu Ostern. Damit endete ein mehrere Jahre alter Zustand, in dem die liberianische Hauptstadt von der Präsenz westafrikanischer Soldaten und internationaler Hilfsorganisationen lebte. Im Schatten der Anwesenheit von Ausländern wurden Geschäfte und Politik gemacht. Nun laufen diejenigen, die auf diese Weise ein Stück Zivilgesellschaft aufgebaut hatten, den abziehenden Ausländern ins Ausland hinterher. Sie trauen dem Frieden nicht, den Liberias Übergangsregierung unter Führung des Milizenchefs Charles Taylor ihnen verspricht.
Eine Rückkehr der Hilfsorganisationen nach Liberia wäre nur noch mit militärischem Begleitschutz möglich. Es mehren sich die Stimmen, die dies fordern. Aber seit der verunglückten UN-Intervention in Somalia sind die fatalen Folgen einer solchen Gangart bekannt. Vielleicht passiert jetzt das Gegenteil: Länder wie Ghana und Nigeria, die sich bisher stark in Liberia engagierten, denken schon über einen Abzug ihrer Eingreiftruppen aus dem Bürgerkriegsland nach. Ein solcher Schritt würde international beklagt werden, brächte aber vermutlich letztendlich eher Vorteile. Es könnte dann nämlich Charles Taylor das Werk vollenden, von dem ihn seit sechs Jahren die Präsenz ausländischer Truppen abhält: Monrovia komplett unter seine Kontrolle zu bringen und ein Regime zu errichten, das zwar nicht nach dem Geschmack der Nachbarn wäre, aber auch nicht schlechter sein kann als der Tod Hunderttausender Menschen in einem sinnlosen Krieg. Dominic Johnson
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