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GastkolumneSolidarpakt unsolidarisch

■ Weniger für alle? Gegen zu einfache Lösungen im öffentlichen Dienst

Die Pläne des Präsidenten des Senats und der Kommentar der taz gehen an den wirklichen Erfordernissen einer Rerform des öffentlichen Dienstes und den sozialen Bedürfnissen seiner Beschäftigten vorbei. 1. Die Vorstellung einer linearen Kürzung der Arbeitszeit verkennt einen wesentlichne Unterschied zwischen der Privatwirtschaft und dem öffentlichen Dienst. Geht es einer Privatfirma schlecht, geht die Arbeit zurück, geht es dem Staat schlecht, gibt es mehr Arbeit . Sinkt das gesellschaftlilche Einkommen heißt das: VW vekauft weniger Autos, der Beschäftigungsstand muß nach unten angepaßt werden; Bremen verliert zwar Steuereinnahmen, gleichzeitig steigt aber die Zahl der Sozialhilfeempfänger, der Beschäftigtenstand im Sozialamt muß (oder müßte eigentlich) nach oben angepaßt werden. Eine Kürzung ist deshalb – gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten – nur nach einer Aufgabenkritik möglich. Es muß erst einmal entschieden werden, welche Aufgaben der Staat noch leisten will und muß und wieviel Beschäftigte dies erfordert. Gleichzeitig müssen Rationalisierungsreserven, z. B. durch neue Techniken (Computer) oder Abbau von Hierarchien (lean administration), erschlossen werden. Bei einer solchen Prüfung dürfte sich herausstellen, daß in weiten Bereichen (z. B. in der Krankenpflege) kein Abbau von Arbeit möglich ist. In anderen Bereichen könnte politisch z.B. entschieden werden, daß die Bürger länger auf ihren Lohnsteuerjahresausgleich warten können. Das Rationalisierungpotential dürfte erheblich sein. Erst wenn so ein Bild der notwendigen Beschäftigtenzahl in jedem Bereich der Verwaltung entstanden ist, kann festgestellt werden, wo ein Personalüberhang und wo ein Personalbedarf besteht. Erst dann kann eine Diskussion darüber geführt werden, wie mit enem Personalüberhang möglichst sozialverträglich umgegangen werden kann. 2. Eine Kürzung der Einkommen im öffentlichen Dienst von über 9 Prozent ist für praktisch alle Bediensteten schmerzlich, für solche mit niedrigen und mittleren Einkommen unerträglich. Sie sollte erst dann eintreten, wenn andere Maßnahmen nicht zu den notwendigen Ergebnissen führen. Dazu gehören z. B. Versetzungen an Stellen, wo ein Personalbedarf besteht. Außerdem sollte zunächst geprüft werden, ob nich durch freiwillige Teilzeittätigkeit die notwendigen Anpasssungen erfolgen können. Es ist sinnlos, allen Beschäftigten eine Zwangsteilzeit zu verordnen, wenn andere gerne in Teilzeit gingen, weil dies mit ihrer persönlichen Lebensplanung zusammenpaßt. Denkbar wäre ein Recht auf Teilzeitarbeit. Schießlich sollte – ebenso wie in der Privatwirtschaft an Vorruhestandsregelungen (mit entsprechendem Sozialplanausgleich) gedacht werden. Diese Möglichkeiten sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Demgegenüber scheinen die Chancen „Natürlicher Fluktuation“ im wesentlichen ausgeschöpft zu sein. Allerdings wäre es auch hier denkbar, in Verbindung mit Versetzungen aus Bereichen mit Personalüberhang noch Stellen zu gewinnen. 3.So wie die Planungen derzeit, aussehen, führen sie zu einer Demotivierung der Beschäftigten und einer unkontrollierten Verschlechterung öffentlicher Dienstleistungen. Sie sind deshalb in keiner Wese kreativ, sondern laden durch eine simple Dreisatzrechnung die Lasten der bremischen Finanzlage den Beschäftigen (und den Bürgern, die auf ihren Staat angewiesen sind) auf. Daß dieses Konzept der CDU in politische Bild paßt, ist klar. Für Sozialdemokraten kann es nicht dabei bleiben. Allerdings kann es im öffentlichen Dienst nicht so weitergehen. Deshalb ist die Phantasie auch der Beschäftigten, der Personalräte und der Gewerkschaften gefragt. Das Bremische Personalvertretungsgesetz kann somit nur als Aufforderung zur Mitverantwortung verstanden werden. Bertram Zwanziger,

stellv. Vors. SPD Ortsverein Steintor/ Landesdelegierter

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