"Soko Leipzig" und britische Krimiserie drehen gemeinsam: London calling
Ein Entführungsfall führt die Ermittler der "Soko Leipzig" in die englische Hauptstadt - und ihre britischen Kollegen nach Leipzig. Ein Drehbericht.
LEIPZIG taz Zwei Punks schlurfen in die Bahnhofshalle, in der Hand halten sie ihr Nachmittagsbierchen, Marke "Sternburg Urtyp". Sie bleiben stehen und schauen einigermaßen verwundert den Fotografen zu, die gerade fünf Männer und zwei Frauen in wechselnden Konstellationen und Posen ablichten. "Wer ist denn das?", fragt einer der Punks eine junge Frau. "Der Schwarze da?"
Der Schwarze da - in Leipzig offenbar eine kleine Sensation - ist Tyron Ricketts alias Patrick Diego Grimm, einer der vier Ermittler der "Soko Leipzig". Zusammen mit den britischen Kollegen der ITV-Krimiserie "The Bill" drehen die Leipziger derzeit eine gemeinsame, noch namenlose Folge, die in beiden Formaten gesendet werden wird. Die britische Ausstrahlung ist schon für November geplant, von deutscher Seite aus steht noch nicht mal fest, ob es ein 90-Minüter oder eine Doppelfolge wird.
Geschnitten werde zwar den Konventionen des jeweiligen Formats entsprechend, doch rund 85 Prozent des verwendeten Bildmaterials seien identisch. "Das gabs noch nie", verkündet "Soko Leipzig"-Produzent Jörg Winger stolz.
Heute fällt in Leipzig die letzte Klappe für den deutsch-britischen Entführungsfall. 28 Drehtage, je zur Hälfte in London und Leipzig absolviert, liegen hinter dem streng paritätisch besetzten Team: Regisseur Robert del Maestro ist Brite, Kameramann Henning Jessel dafür Deutscher. Auch das Drehbuch schrieben beide Seiten gemeinsam - eine echte Herausforderung, denn die Geschichte muss ja sowohl von den Zuschauern der "Soko Leipzig" als auch von denen von "The Bill" als Teil ihrer Serie akzeptiert werden. "Alle mitzunehmen und keinen zu befremden, das war die große Herausforderung", sagt Produzent Jörg Winger, "eigentlich eine Mission Impossible." Naturgemäß zeigt er sich mit dem Ergebnis zufrieden, genau wie sein britischer Gegenpart Johnathan Young: "Das Resultat hat unsere Erwartungen übertroffen. Es war eine fantastische Erfahrung für uns alle."
Als Hauptdarsteller Andreas Schmidt-Schaller, in der Serie Kriminalhauptkommissar Hajo Trautzschke, merkt, wie die ans Set im Leipziger Hauptbahnhof eingeladenen Journalisten die Stirn runzeln angesichts dieser trauten Einigkeit, sagt er: "Es hört sich alles so wunderbar an, aber ich kann es nur genau so sagen: Es war wunderbar."
Von dem anfänglichen Kompetenzgerangel in der Serienwelt fehlte in der Realität am Set also anscheinend jede Spur. "Wir wurden mit offenen Armen begrüßt", erinnert sich Chris Simmons alias Detective Constable Mickey Webb an den Empfang in Leipzig, und Marco Girnth (Kriminaloberkommissar Jan Maybach), der erst später zu den Dreharbeiten nach London gereist ist, erzählt von einem Telefonat mit "Soko"-Kollegin Melanie Marschke, bei dem ihm "eine Welle der Begeisterung entgegengeschlagen" sei.
Zwar wollen die Macher von "Soko Leipzig" sich nach dieser Zusammenarbeit nicht gleich von der Musik in ihrer Serie und Perspektivwechseln weg von den Ermittlern verabschieden, doch, zumindest was die Authentizität der Fälle angeht, wollen sie sich an "The Bill" orientieren. "Wir werden noch gründlicher recherchieren und intensiver mit der Polizei zusammenarbeiten", kündigt Produzent Winger an.
Andreas Schmidt-Schaller scheidet mit einem persönlichen Vorsatz aus den Dreharbeiten: "Ich habe mir vorgenommen, nächstes Jahr Englisch zu lernen." Englisch gesprochen hat er trotzdem, denn das war die Drehsprache. Wenn man aus der Ferne beobachtet, wie Schmidt-Schaller im Leipziger Hauptbahnhof für die Kameras mit seinem britischen Kollegen Simon Rouse scherzt, kann man kaum glauben, dass er dessen Sprache nicht beherrscht.
Die Punks bleiben noch eine Weile unbeachtet hinter den Fotografen stehen. "Schade, von uns will keiner n Foto", sagt der eine im Gehen; der andere haut ihm auf die Schulter: "Wir sind zu hübsch, da platzen die Linsen."
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