Software für Berliner Jobcenter: Angst vor dem gläsernen Arbeitslosen

Eine neue Computersoftware stößt auf Kritik: Damit würden sensible persönliche Daten dauerhaft gespeichert, sagt der Hauptpersonalrat. Auch der Senat hält die Einführung der Software zurzeit für unnötig.

Mit der neuen Software der Jobcenter weiß das Amt endgültig alles über seine Klienten Bild: AP

Neue Wege bei der Vermittlung von Erwerbslosen will die Bundesagentur für Arbeit mit dem sogenannten 4-Phasen-Modell gehen, mit dem künftig an den Jobcentern gearbeitet werden soll. Die dafür nötige Software wurde am Wochenende auch in Berlins Jobcentern eingeführt. Dagegen protestierte der Berliner Hauptpersonalrat - ohne Erfolg. Dabei sind seine Gründe für die Bedenken schwerwiegend. Der Hauptpersonalrat vertritt die Angestellten des öffentlichen Dienstes des Landes.

Mit dem 4-Phasen-Modell versuchen die Jobcenter, vor allem Langzeitarbeitslose schneller in den Arbeitsmarkt wieder einzugliedern. Dafür wurden unter anderem Beratungsschritte zusammengefasst und wurde eine spezielle Software installiert. Vor allem darauf konzentriert sich die Kritik: "Wir haben erhebliche Bedenken bezüglich des Schutzes von Sozialdaten", heißt es in einem der taz vorliegenden Schreiben von Anfang August, das der Vorsitzende des Berliner Hauptpersonalrats, Uwe Januszewski, an die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales richtete. Es würden Daten Erwerbsloser erfasst und gespeichert, "die sich auf Einzelheiten persönlicher Lebenslagen, wie Suchtkrankheiten, Verschuldung oder problematische familiäre Verhältnisse beziehen".

Auch das mit dem neuen Modell verbundene verschärfte Profiling wird abgelehnt. Bei diesen Befragungen, die am Beginn einer Eingliederungsvereinbarung stehen, werden Arbeitslose über sehr persönliche Daten befragt. Die Berliner Erwebslosenaktivistin Anne Allex nannte das Profiling in der bisherigen Form "die größte Datensammlung seit der Volkszählung". Mit der Einführung der neuen Arbeitsmethode könnte der Erwerbslose noch "gläserner" werden, befürchtet Martina Kristan vom Hauptpersonalrat.

Sie führt als Beispiel einen Erwerbslosen mit Alkoholproblemen an. Dessen alte Angaben seien, auch wenn er in eine andere Stadt gezogen und längst trocken sei, noch immer im Intranet zu finden, das allen Jobcenter-MitarbeiterInnen zugänglich ist. Eine weitere Kritik von Kristan an dem neuen Modell ist der Rückgang der individuellen Beratung von Erwerbslosen, weil die Software automatisch Lösungsvorschläge anbietet.

Zudem nehme die Arbeitsbelastung der Jobcenter-MitarbeiterInnen zu. So sollen sich bis zum Jahresende alle in Berlin arbeitslos Gemeldeten dem neuen Profiling unterziehen. Der Personalrat bemüht sich um eine Fristverlängerung. Immerhin: Die Bundesagentur für Arbeit (BA) belehrt in einer der taz vorliegenden internen Geschäftsanweisung die MitarbeiterInnen, dass ein Abarbeiten aller durch die neue Software möglichen Fragen "fachlich nicht sinnvoll und aus datenschutzrechtlicher Sicht unzulässig" sei.

Die Sprecherin der Senatsverwaltung für Soziales, Anja Wollny, betonte gegenüber der taz, dass ihr Haus die Bedenken des Personalrats teile und bei der BA ebenfalls um eine Verschiebung des neuen Modells gebeten habe. Allerdings habe die Berliner Senatsverwaltung für Soziales kein Mitspracherecht bei der Einführung. Für Wollny ist rätselhaft, warum man mit der Umstellung der Arbeitsmethoden nicht gewartet hat, bis die vom Bundesverfassungsgericht bis Ende 2010 vorgeschriebene bundesweite Neuordnung der Jobcenterstrukturen abgeschlossen ist.

Datenschutzmängel bei der Einführung der neuen Software würden zurzeit geprüft, sagte Angela Köth von der BA. Außerdem habe man Vorkehrungen getroffen, dass sensible Daten nur von einem eingeschränkten NutzerInnenkreis eingesehen werden können.

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