piwik no script img

Söder statt BecksteinTalkshow-Trouble bei Kerner

Ex-Ministerpräsident Günther Beckstein schwänzte am Dienstag seinen Gastauftritt bei Kerner. Fragwürdiger Ersatz per Liveschalte: Der bayerische Europaminister Markus Söder.

Johannes B. Kerner - mal hart, mal zart. Bild: dpa

Wenn man so will, war es ein Rücktritt auf Raten. Bevor er heute als bayerischer Ministerpräsident aufgab, verzichtete Günther Beckstein am Dienstag schon einmal auf einen anderen lukrativen Posten -- den als Talkgast bei Johannes B. Kerner. Angekündigt war er, gekommen ist er nicht. "Vermutlich hat er ein bisschen Angst gehabt", spekuliert Kerner. Vielleicht liege das an den bissigen Fragen, die er als Moderator stelle. Das war entweder überheblich oder selbstironisch. Wenn es selbstironisch war, war es großartig.

Wie im wirklichen Leben steht allerdings auch bei Kerner ein adäquater Ersatz für Beckstein bereit: Markus Söder, bayerischer Europaminister und Ex-Generalsektretär der CSU, ließ sich live in die Runde schalten. Der Haudrauf aus alten Stoiber-Zeiten lächelt und gibt sich staatstragend.

Kerner schleicht sich über die übliche Gefühlstour an seinen geschalteten Gast heran. 43 Prozent -- wie lange er gebraucht habe, um diese Zahl zu begreifen, will der Moderator von Söder wissen. Doch, sagt der betroffen, schon lange. So ein Ergebnis sei immer eine "Belastung". Dazu passt auch die Einblendung: Dr. Markus Söder. Seine Partei verlor bei den bayerischen Landtagswahlen 17 Prozent.

Es geht erst einmal ähnlich gehaltlos weiter. Kerner versucht Söder zu entlocken, wie emotional die Krisensitzungen der CSU ablaufen, wie persönlich geht man sich da an, fliegen die Fetzen? Söder lächelt und erzählt irgendwas völlig anderes. Das stört auch nicht weiter, wenn man sich daran gewöhnt hat, Kerner eher als Einschlafhilfe denn als politisches Podium zu sehen.

Bis Kerner plötzlich doch ein bisschen bissig wird. Fast drängte sich der Verdacht auf, das gefühlige Geplänkel sei in Wirklichkeit nicht Konzept der Sendung, sondern ein cleverer Trick. Söder weichkochen und dann ausnehmen. "Warum macht nicht auch Beckstein den Weg frei für einen Neuanfang?", fragt Kerner.

Das Problem ist nur, dass der Trick nicht so ganz funktioniert. Söder sagt, dass es nun um inhaltliche Frage gehe, nicht ums Personal. Und lächelt. Kerner nimmt erneut Anlauf­ und für einen Moment scheint es so, als könnte er Söder tatsächlich aufs Glatteis locken. "Was ist eigentlich mit Ihnen?", fragt er. "Ja, das zeigt sich in den nächsten Tagen und Wochen", sagt Söder und fügt schnell hinzu, dass es nicht "um Karrierepläne Einzelner" geht.

Kerner lässt nicht locker. "So leicht kommen Sie aus der Nummer nicht raus, Herr Söder", sagt er. "Sie sind Anfang 40. Sie müssen noch ein bisschen.""Ich werde auch noch ein bisschen", droht Söder. Ein bisschen was auch immer. Er lächelt.

Das ist allerdings auch schon das konkreteste Gesprächsergebnis. Wobei man zu Kerners Verteidigung sicher sagen muss, dass bei einer Schalte im "heute journal" wohl auch nicht unbedingt mehr Inhalt abgefallen wäre. Nur hätte man das dem Gespräch weniger angemerkt.

Die erkenntnisförderndere Wahlanalyse lieferten anschließend ausgerechnet die Kabarettistin Lisa Fitz und Stoiber-Imitator Florian Schroeder, die über die Folgen der bayerischen Bildungspolitik und das Ende der Volksparteien räsonieren. "Der große Witz ist ja, wenn Herr Söder sagt, man dürfe jetzt nicht über Karriere diskutieren", meint Schroeder. "Wenn einer Karriere machen will, dann doch Markus Söder." Leider war die Schalte zum Beckstein-Ersatz da längst beendet. Sonst hätte es doch noch eine vielversprechende Sendung werden können.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!