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So überflüssig wie ein Kropf

■ Trotz EG-Quoten befürchten US-Film- und Fernsehproduzenten keine Markteinbußen

Jack Lang hat überhaupt keine Ahnung, denn er redet nur mit anderen Bürokraten!“ Michael Sauerman vom US-Giganten Time -Warner läßt kein gutes Haar am französischen Kulturminister, der in der EG eine (unverbindliche) Mindestquote für europäische TV-Produktionen durchgesetzt hat. „Die Quotenregelung hätte es niemals geben dürfen, denn sie ist überflüssig.“

Überflüssig, mehr nicht. Sein Euro-Geschäft sieht der amerikanische Filmproduzent wegen der diversen Bemühungen der Europäer um „Wahrung ihrer kulturellen Identität“ nicht gefährdet. Im Gegenteil: Die Initiativen für ein europäisches „Fernsehen ohne Grenzen“ bieten den US -Konzernen sogar eine Chance, denn sie bekommen so endlich einen großen, für Sponsoren interessanten Markt. Bisher sind die Amerikaner fast ausschließlich als Programmverkäufer in Europa tätig. So liefern sie in diesem Jahr für eine Milliarde Dollar TV-Programme nach Europa. Das ist dreimal so viel wie 1985 und entspricht 70 Prozent der gesendeten Programme.

Privatsender, Euro-Satellitenprogramme und Frühstücksfernse

hen lassen diesen „Kuchen“ immer mehr wachsen. Wurden 1987 noch 125.000 Stunden Fernsehprogramme in Europa gesendet, so müssen 1990 bereits 325.000 Stunden gefüllt werden - und 1998 sogar 535.000. Auf der „Mipcom„-Messe für TV-Programme in Cannes spricht man bereits von einer „goldenen Gans“.

Angesichts der Marktexpansion brauchen die US-Konzerne wegen des „Euro-Protektionismus“ keine Einbußen zu befürchten. „Eine 50-Prozent-Quote von einem explodierenden Markt ist doch viel besser als 70 Prozent bei stagnierendem Geschäft“, rechnet David Webster vom Annenberg Washington Program vor. Doch fragt sich, ob die Amerikaner wirklich um Marktanteile fürchten müssen, denn die von der EG beschlossene 50-Prozent-Quote für Euro-Produktionen kann man nicht einklagen, und die europäischen Studios sind auf den neuen Bedarf überhaupt nicht vorbereitet. Ohne die US -Anbieter geht es nicht.

Der US-Markt ist dagegen für die Europäer nahezu verschlossen: Sie liefern gerade ein Prozent der Sendezeit. Angesichts solcher Verhältnisse wähnt der französische Staatspräsident Fran?ois Mitterrand bereits „unsere ganze Kultur bedroht“. Um die Vorherrschaft der Amerikaner zu brechen, setzte Paris daher in der EG gezielte Eingriffe in die Fernseh-Landschaft durch. So werden mit der Initiative „Media 92“ gezielt europäische Koproduktionen gefördert, und „Euro-Aim“ soll europäische Kleinanbieter „vernetzen“ und ihren Verkauf fördern. Doch mit der Strukturierung des „Euro -Marktes“ bereitet die EG ungewollt auch das Bett für die Amerikaner - als Produzenten.

Ist die Amerikanisierung Europas unvermeidlich? Auf der Mipcom sieht man das anders, denn mit der Entwicklung „echter“ Euro-Märkte locken die großen Gewinne weniger im Verkauf zweitrangiger US-Serien als bei „typischen“ Euro -Produktionen. Der Beleg: In fast allen europäischen Ländern sind die zehn Sendungen mit den höchsten Einschaltquoten eigene oder europäische Produkte. Die US-Serien füllen dafür die Vorabend- und Spätprogramme.

Als einer der ersten hat Warner Brothers die Zeichen der Zeit erkannt: Im Dezember startet der US-Konzern gemeinsam mit der Svensk Filmindustrie in Schweden ein Abonnenten -Fernsehen - als Pilotprojekt für weitere Euro -Kooperationen. Geplant ist die Produktion skandinavischer Qualitätsprogramme, die sich in ganz Europa und möglichst auch in den USA absetzen lassen.

ABC hat ebenfalls ehrgeizige Pläne für den alten Kontinent, und auch Walt Disney „goes Europe“: Gemeinsam mit dem größten europäischen TV-Sender, der privaten französischen TF-1, will Disney europäische Shows, Familienserien, Urlaubsprogramme und Reportagen produzieren. Die erste Märchenschau wird jeweils dort gedreht, woher die beliebtesten Märchenfiguren stammen - von Schneewittchen bis Rotkäppchen.

Mit ihren Euro-Produktionen hoffen die Amerikaner auch auf neue Märkte im eigenen Land, denn in den USA machen die einst belächelten Kabelprogramme Furore: Sie erreichen schon mehr als die Hälfte aller Haushalte. Und sie haben eigene Bedürfnisse: Reportagen, Kultur- und Sondersendungen, wie sie vor allem in Europa produziert werden. Vom Euro-Markt angelockt, könnten ironischerweise die profitsuchenden US -Filmgiganten der EG helfen, die „europäische Kultur nach Amerika zu exportieren“.

Doch bis zu einem wirklichen Euro-Markt ist der Weg lang. Zu verschieden sind die Sehgewohnheiten und Geschmäcker der Europäer - trotz „Dallas“ allerorten. Während die Briten 216 Minuten täglich vor dem Fernsehschirm sitzen, schauen die Deutschen nur 144 Minuten in die Röhre. Was dem einen lustig erscheint, ist dem anderen lachhaft: Nur die Deutschen finden „Otto“ spaßig. Und während in Frankreich 1988 die TF -1-Abendnachrichten die höchsten Einschaltquoten erreichten, waren in Italien ein Fußballspiel, in Großbritannien die TV -Serie „Coronation Street“ und in der Bundesrepublik die Schau „Die Nase vorn“ (ZDF) der Renner.

Unter diesen Umständen hoffen die US-Produzenten geradezu, daß die EG mit ihrem „Fernsehen ohne Grenzen“ Erfolg hat und die Märkte zusammenführt, denn nur dann lohnen sich auch Millionen-Investitionen in exportfähige europäische TV -Produktionen. „Wir kommen, wenn sich hier Geld verdienen läßt“, erklärt Warner Brothers. Geld verdienen mit demselben „Euro-Protektionismus“, gegen den die US -Regierung und auch die US-Konzerne verbal noch Sturm laufen.

dpa

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