Sixt bietet Carsharing an: Autovermieter will teilen
Mit Sixt ist ein großer Autoverleiher in den Wachstumsmarkt Carsharing eingestiegen. Andere Mietwagenfirmen sehen im Carsharing unliebsame Konkurrenz.
BERLIN taz Autofahren ab 1,50 Euro pro Stunde: Das neue Angebot von Sixt klingt verlockend. Seit zwei Monaten bietet der bundesweit größte Autovermieter in Berlin auch Carsharing an. Damit ist das Unternehmen aus Pullach ein Pionier der Branche: Andere Großverleiher wollen vom Autoteilen bislang kaum etwas wissen. Konkurrent Hertz etwa kooperiert nur mit eigenständigen Anbietern; Europcar und Avis haben gar kein Autoabo im Programm.
Dabei gibt es in Deutschland eine wachsende Zahl von Carsharern: 116.000 Nutzer registrierte der Bundesverband Car-Sharing (BCS) Anfang 2008 - ein Plus von 21.000 gegenüber dem Vorjahr. Rund 36 Kunden kommen im Schnitt auf jedes der etwa 3.200 Carsharing-Fahrzeuge. Im Verhältnis zu den etwa 42 Millionen deutschen Pkws nehmen sich die Zahlen allerdings noch immer verschwindend gering aus.
Grund dafür dürften vor allem die Schwierigkeiten sein, die Unternehmer beim Aufbau einer neuen Carsharingstation erst bewältigt müssen, bevor diese Geld abwirft. "In kleinen Städten sind Carsharingprojekte eigentlich nur mit ehrenamtlichem Engagement zu realisieren", meint BCS-Vorstandsmitglied Klaus Breindl. Die größten Geschäftschancen lägen in den Großstädten, wo Parkplatzmangel und verstopfte Straßen vielen Bewohnern zu schaffen machen, wie Claudia Nobis, Wissenschaftlerin des Instituts für Verkehrsforschung bestätigt.
Um für potenzielle Carsharer wirklich attraktiv zu werden, benötige die Geschäftsidee mehr Unterstützung aus der Politik, sagt der BCS. Der Verband fordert ein bundesweit gültiges Gesetz, das die Einrichtung öffentlicher Stellplätze für "geteilte Autos" ermöglicht - wie es etwa für Taxis schon lange existiert. Eine Initiative des Bundesverkehrsministeriums dazu scheiterte bisher jedoch am Veto der Behörde von Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU). Wie der Geschäftsführer des BCS, Willi Loose, erklärte, sei die Blockadehaltung des Ministeriums einer Beschwerde der Autovermieter geschuldet, die durch Carsharer ihre eigenen Unternehmen gefährdet sehen würden. Beim Bundesverband der Autovermieter Deutschlands (BAV) bestätigt man das: Carsharing sei nur ein anderes Wort für Autovermietung, meint der BAV-Präsident Bernd Schumann. "Die Carsharer reiten jetzt auf der grünen Welle mit und versuchen mithilfe von Politikern Vorteile für sich zu bekommen", so Schumann weiter. Der Verband habe deshalb beim Wirtschaftsministerium "nachgefragt" und gesetzliche Gleichstellung gefordert. Im Ministerium selbst war für eine Stellungnahme niemand zu erreichen.
Autovermieter Sixt zeigt sich zwei Monate nach Start seines Carsharingprogramms indes zufrieden. Der deutschlandweit einzige "Sixti Car Club" werde von den Kunden sehr gut angenommen, erklärte ein Unternehmenssprecher. Mit genauen Nutzerzahlen wollte er die positive Zwischenbilanz aber nicht belegen. Konkurrenz mit dem eigenen Kerngeschäft, der Autovermietung, fürchtet der Branchenführer kaum: "Der Club stellt ein Angebot für junge Großstädter dar, die eine Alternative zum Autokauf suchen", heißt es aus dem Unternehmen.
An insgesamt 20 Stellplätzen können die Clubmitglieder derzeit 100 Smart, Mini Cooper, 1er BMW und Mercedes B-Klasse parken und abholen. Bis Jahresende will Sixt in München und Paris weitere Clubs aufbauen. Die Leihpreise liegen dabei etwa auf Branchenniveau. 59 Euro kostet der Beitritt zum Carsharerclub, Monatsbeiträge gibt es nicht. Für Tagesfahrten werden, je nach Fahrzeuggröße, zwischen 4,50 und 6,50 Euro pro Stunde veranschlagt. Nachts ist eine Autostunde schon für 1,50 zu bekommen. Hinzu kommt eine Kilometerpauschale von 0,12 bis 0,19 Cent, Tankkosten inklusive. Zu spät kommen sollte man aber besser nicht: Nach einer Gnadenfrist von 15 Minuten werden bis zu 50 Euro fällig.
MATTHIAS SCHREIBER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?