Sitzordnungspolitik: Trennung von Tisch und Stuhl

Bürger in Wut Jan Timke ist am Ziel: Nachdem er mit einem Organstreitverfahren vorm Staatsgerichtshof gedroht hat, gibt ihm das Bürgerschaftspräsidium jetzt einen eigenen Tisch. Aber keinen neuen Nachbarn VON BENNO SCHIRRMEISTER

Zwei auf einer Bank - das kann total schief gehen Bild: ARCHIV

Beinahe hätte der bremische Staatsgerichtshof wieder deutsche Rechtsgeschichte schreiben können. Aber jetzt muss er doch nicht über die Sitzordnung der Bürgerschaft beraten. Deren Präsidium hat nämlich eingelenkt: Es sagte zu, dem Einzelabgeordneten Jan Timke von der rechtspopulistischen Liste "Bürger in Wut" ein Extratischchen zu besorgen. Bislang musste er eines mit seinem Sitznachbarn Siegfried Tittmann gemeinsam nutzen. Der war auch 2006 Bremerhavener Spitzenkandidat der rechtsextremen DVU gewesen, mittlerweile ist er parteilos.

Parlaments-Vizepräsidentin Karen Mathes (Grüne) hält diese Regelung nach wie vor nicht für anstößig: "In anderen Landtagen müssen sich Abgeordnete unterschiedlicher Fraktionen auch die Tische teilen." In Hannover zum Beispiel. Wutbürger Timke aber hatte das zornig gemacht. Schließlich wolle er "Unterlagen auf den Tisch legen, ohne dass andere das einsehen können", hatte er erklärt. Zudem bereitete ihm Sorge, dass seine Formation mit der ehemaligen von Tittmann verwechselt werden könnte. Also kündigte er an, sich aus Protest eben gar nicht mehr hinzusetzen.

Tatsächlich zog er in der Rolle als Stand-up-Abgeordneter bei seiner zweiten Plenar-Debatte neugierige Blicke auf sich. Aber der Effekt hatte sich schnell abgenutzt, und stundenlanges Stillstehen ist auch für einen durchtrainierten Polizeibeamten eine anstrengende Übung. Also hatte Timke damit angefangen, während der Landtags-Reden auf und abzugehen. Das aber habe "andere Abgeordnete gestört", so Mathes. Und nur deshalb habe das Präsidium am 7. Januar beschlossen, nach Maßgabe der eigenen technischen Möglichkeiten einen Abstand zwischen Tittmann und Timke einzurichten. Nach Meinung der Wutbürger bedeutet das, dass "der Versuch des politischen Establishments gescheitert" ist, "die Rechte von Jan Timke zu beschneiden".

Als überraschend kann man den Beschluss aber auch empfinden, ohne ihm solchen Tiefsinn zu unterstellen. Schließlich hatte Bürgerschafts-Präsident Christian Weber (SPD) noch im November angekündigt, die Sitzordnung selbst dann beizubehalten, wenn Timke sich aufs Purzelbaumschlagen verlegen würde. Das hat er indes nicht getan, sondern noch kurz vor Weihnachten ein Organstreitverfahren angestrengt, vorm Staatsgerichtshof.

Der hätte damit - so wenigstens der Befund nach oberflächlicher Sichtung der Fachliteratur - als erstes deutsches Verfassungsgericht über eine Parlamentssitzordnung zu entscheiden gehabt. Doch die Chance ist vertan: Der Anlass ist futsch. Und wo kein Grund, da keine Klage.

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