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■ Sitzordnungen und Hierarchien in japanischen BürosDie feinen Unterschiede

Berlin (taz) –Stellen Sie sich vor, Sie sind JapanerIn und arbeiten in einem Büro mit acht KollegInnen. Wo sitzen Sie? In einer dunklen Ecke in der Nähe des Eingangs? Ganz schlecht. An der dem Eingang gegenüberliegenden Wand, direkt unter dem Fenster? Sehr gut, aber nur, wenn Sie die Sonne im Rücken haben und Ihr Schreibtisch nicht etwa im rechten Winkel zum Fenster steht. Ist das der Fall, gehören Sie zu den abgehalfterten Zwischenchefs, denen man nur zum Schein eine „lichte“ Position zugesteht. Das sind die feinen Unterschiede, die Berater Bastian Broer vom Institut für Interkulturelles Management (IFIM) in Bad Honnef dem unkundigen Europäer erläutert.

Die Kenntnisse der japanischen Sitzordnung können Gold wert sein. Denn wer hier ein Projekt anleiern möchte, wird so leicht erkennen, ob er an einen kompetenten Mitarbeiter verwiesen wird oder nur an den untersten Sachbearbeiter, der den Bittsteller freundlich lächelnd abwimmeln soll.

Wichtigste Regel: Je höher die Position, desto weiter entfernt vom Eingang steht der Schreibtisch. Der Chef des Büros thront immer weit weg, aber direkt gegenüber der meist offenen Tür. Sein Schreibtisch steht so, daß er erstens ständig alle seine MitarbeiterInnen im Blickfeld hat und zweitens jederzeit beobachten kann, wer sich seiner Abteilung von außen nähert. Außerdem genießt der Chef natürlich das Privileg des Tageslichts, brütet also direkt unter dem Fenster.

Allerdings gibt es da ein Problem: das Senioritätsprinzip in japanischen Unternehmen. Es hat zur Folge, daß Mitarbeiter aufgrund ihres Alters befördert werden müssen, auch wenn es sich schon bis zum Pförtner herumgesprochen hat, daß sie eigentlich nichts taugen. Der Eingeweihte erkennt solche Chefs mit eingeschränkten Kompetenzen sofort an der Sitzordnung. Die „Abteilungsleiter aus Höflichkeit“ genießen zwar möglicherweise das Privileg des Tageslichts unter dem Fenster. Aber mitunter steht der Schreibtisch im rechten Winkel zur Glascheibe. Oder nur seitlich versetzt gegenüber der Eingangstür. Möglicherweise hat der „Chef“ sogar überhaupt keinen direkten Ausblick auf die Tür. Ganz schlecht ist es, wenn der „Referatsleiter“ in einer Büroecke sitzt oder gar hinter einem Pfeiler verschwindet. Vermeiden Sie es, nur diesem Mann Ihr Anliegen vorzutragen!

Zurück zur Hierarchie: Vor dem Referatsleiter sitzt der Gruppenleiter, der die Tischgruppe mit den vier bis sechs Sachbearbeitern voll im Blick hat. Das Lebensziel der Sachbearbeiter wiederum besteht darin, zuerst bis zum Stuhl des Gruppenleiters aufzurücken und vielleicht dann sogar irgendwann mal auf den Sessel des Abteilungsleiters hochzurutschen.

Logisch, daß die älteren, verdienteren Sachbearbeiter besonders nahe am Gruppenleiter und besonders weit weg vom Eingang ihren Platz bekommen. Am untersten Ende der Hierarchie – und damit direkt am Eingang in der Zugluft – darf schließlich die sogenannte arubaito hocken. Diese jungen Mädchen ohne Universitätsabschluß bedienen gewissermaßen die Tür und denjenigen, der da hereinkommt. Verweist die freundliche arubaito also an einen der adrett gekleideten, fließend Englisch sprechenden jungen Männer direkt neben ihr, wird aus dem Projekt wohl nicht viel werden.

Wer geschickt ist, fragt daher auch lieber gleich am Eingang nach dem Referatsleiter, dessen Namen man vorher kennen sollte. Und findet man sich dann mit ihm gemeinsam in der Sitzgruppe direkt neben seinem Schreibtisch wieder, ist für diesen Tag das höchste der Gefühle erreicht. Barbara Dribbusch

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