Sind Sie glücklich?: „Wir müssen doch zusammenhalten!“
■ 11 Uhr, Wittenbergplatz: Dorit Kutkat war insgesamt siebzehn Jahre in einer Nervenheilanstalt. Mit Männern will sie nichts mehr zu tun haben
„Sind Sie glücklich?“ will die taz wissen und hört sich täglich um 11 Uhr abwechselnd auf dem Wittenbergplatz und dem Alexanderplatz um.
Die 60jährige Rentnerin Dorit Kutkat: Ja, ich bin zufrieden. Manchmal bin ich in einer traurigen Stimmung, aber im großen und ganzen bin ich glücklich. Ich war 17 Jahre lang in einer Nervenheilanstalt. Immer mal wieder ein halbes Jahr oder so. Ich war schwer krank. Angefangen hat es 1972 durch Männergeschichten. Mich haben die Männer geschlagen, mein Geld wollten sie haben. Und dann bin ich so krank geworden. Aber jetzt bin ich frei. Ich will keinen Mann mehr sehen. Ich bin Alkoholikerin und trinke so meine zwei, drei Bier am Tag. Glück ist für mich Zufriedenheit. Daß man mit dem Leben, das man hat, zufrieden ist und nicht nach den Sternen greift. Es gibt Leute, die wollen nur Geld haben. Gut, ich möchte auch Geld haben, um zu überleben. Aber nur gerade soviel, daß es hilft, den Tag rumzubringen. Ich gehe zur Therapie, Arbeitstherapie nennt sich das. Da machen wir Stempeln, Adressenschreiben, also verschiedene Arbeiten. Ich muß zugeben, ich kriege eine Rente von 1.500 Mark und von der Firma 500 Mark extra.
Im Moment bin ich auf Achse, mal mit dem reden, mal mit dem reden. Ich brauche das Gespräch. Wie waren eine nette Therapiegruppe, fünf Jahre lang, vier Leute waren wir. Das ist aber leider auseinandergegangen (weint). Seitdem habe ich keine richtige Lust, dahin zu gehen. Das gibt mir nichts. Wir hatten so ein gutes Verhältnis, psychisch auch. Wir haben gelacht, Witze erzählt. Wegen einer Frau ist das auseinandergegangen. Die hat immer nur rumkommandiert, die ist gar nicht auf die anderen eingegangen. Wir psychisch Kranken müssen doch zusammenhalten. Wir müssen jeder auf den anderen eingehen. Das ist wichtig. Corinna Budras
Heute stehen wir auf dem Alexanderplatz.
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