piwik no script img

Silvester 2000: in oder out?„Silvester ist ein Scheißdreck“

Für Benjamin (20), genannt „Kippe“, steht fest, dass die Spießigkeit nach der Jahrtausendwende weitergehen wird

Ich hoffe, dass zum Jahreswechsel die Welt untergeht. Bum, weg ist sie. Es ist mir echt scheißegal, was im Jahr 2000 passieren wird. Das bedeutet mir überhaupt nix. Das ist ein Scheißdreck, jeder Tag wird auch im nächsten Jahr gleich sein: aufstehen, saufen, schnorren, Drogen nehmen, schlafen. Ich schlafe in besetzten Häusern, in Abrisshäusern.

Das ist mein Leben. Da komme ich nicht mehr raus. Das mache ich, bis ich tot bin. Man hat keine Schulbildung und nichts. Ich habe aber keinen Nerv, mich wieder einzugliedern. Einmal Außenseiter, immer Außenseiter.

Zwei, drei Tage nach der Jahrtausendwende wird alles wieder normal und spießig wie immer sein. In der Welt wird es immer schlechter, das ist schon immer so gewesen. Wieso sollte sich das ändern?

Ich werde auch Silvester saufen. So wie jeden Tag hier am Alexanderplatz. Ich gehöre hier zur Szene seit zwei Jahren. Ich mache seit sieben Jahren Platte. Meine Eltern leben in Mecklenburg. Seit meinem 14. Lebensjahr habe ich sie nicht mehr gesehen, ich vermisse sie auch nicht.

Die, die groß Silvester feiern, sind Verrückte. Die haben Kohle. Wenn ich Geld hätte, würde ich vielleicht auch was machen. Aber ohne Geld geht’s halt nicht. Wenn ich Geld hätte, würde ich eine Riesenparty machen, mich total besudeln oder so, keine Ahnung. Tausend Tonnen Bierbüchsen für das neue Jahr wären nicht schlecht!Aufgezeichnet von: BarbaraBollwahn de Paez Casanova

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen