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Silber im Langlauf 50 KilometerTeichmann schließt seinen Frieden

Beim vorletzten Wettbewerb gab es wieder einen Favoritensieg. Doch Silber holte sich jemand, den niemand auf der Rechnung hatte: Axel Teichmann preschte an der letzten Steigung allen davon.

Später Angriff: Axel Teichmann. Bild: dpa

WHISTLER dpa | Freudentränen vergoss Axel Teichmann nicht. Bei der eindrucksvollsten Siegerehrung der XXI. Olympischen Winterspiele übermannten aber auch den sonst eher nüchternen Skilangläufer aus Bad Lobenstein die Emotionen. Mit geschlossenen Augen genoss der Silbermedaillengewinner über 50 Kilometer die Zeremonie im Rahmen der Schlussfeier vor 60.600 Zuschauern im BC Place Stadium von Vancouver und strahlte danach mit der Medaille um den Hals über das ganze Gesicht.

Der zweite Platz im Marathon-Klassiker war die Krönung seiner Erfolgskarriere, die schon in wenigen Wochen enden könnte. "Ob ich nächstes Jahr in Oslo bei der WM dabei sein werde, ist noch völlig offen", sagte Teichmann. "Ich habe mich bislang immer mit irgendwelchen Wehwehchen herumgeplagt. Die sind nicht spurlos an mir vorbeigegangen."

Nachdem er sich in Whistler mit zwei Silber-Plaketten seinen letzten sportlichen Traum erfüllt hat, würde dem zweimaligen Weltmeister ein Abschied aus der Loipe vermutlich nicht schwer fallen. "Ich habe meinen Frieden mit Olympia gemacht", sagte der 30-Jährige nach seinem Husarenstück erleichtert. 2002 war er in Salt Lake City wegen Formschwäche nicht in die bronzene Staffel berufen worden, vier Jahre später in Turin wegen einer Haarwurzelentzündung nur Zuschauer.

Im letzten Langlauf-Wettbewerb der Spiele lieferte Teichmann eine Leistung ab, die er sich selbst nicht zugetraut hatte. "Ich habe ihn praktisch überredet, den 50er anzugehen", verriet Bundestrainer Jochen Behle. Denn nach der verpatzten Staffel, in der das deutsche Quartett als Sechster die erwartete Medaille deutlich verpasst hatte, war Teichmann am Boden zerstört. "Ich habe dann zugesagt, weil ich am wenigsten zu verlieren hatte und mir auf dieser Distanz das allerwenigste ausrechnete."

Die längste Lauf-Distanz hatte er zuvor erst dreimal in Angriff genommen und nur zweimal beendet – immer am Holmenkollen in Oslo. Im besten Fall spekulierte er daher auf ein Top-Ten-Ergebnis. Dass es am Ende Silber wurde, überraschte ihn über alle Maßen. "Bei Kilometer 40 hatte ich Krämpfe im Oberarm und dachte: Bis zum Ziel ist es noch ganz schön weit", berichtete Teichmann. "Aber irgendwie ging es und nach meinem letzten Skiwechsel lief es von Kilometer zu Kilometer besser."

Unvermeidlich: Praktisch im Ziel noch vom Favoriten Petter Northug abgefangen. Bild: dpa

Kurz vor Schluss hatte Teichmann wieder zur Spitzengruppe aufschließen können. Beim letzten Anstieg preschte er plötzlich davon, ließ die Konkurrenz einige Meter hinter sich. Dass er auf der Ziellinie wieder einmal vom Norweger Petter Northug abgefangen wurde, wollte er nicht kommentieren. Gleiches war ihm bereits beim silbernen Teamsprint in Whistler sowie vor einem Jahr bei den Weltmeisterschaften in Liberec widerfahren.

Seinen trockenen Humor verlor der Hauptfeldwebel der Bundeswehr deshalb nicht. "Jetzt kann ich an Olympia einen Haken machen. Das olympische Dorf, das Flair, die vielen anderen Sportler – all das werde ich mein Leben lang im Gedächtnis behalten", sagte Teichmann. "Und natürlich die Rechnung in der Kneipe, die heute Abend etwas höher ausfallen wird."

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1 Kommentar

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  • O
    ole

    Na das war natürlich eine taktische Meisterleistung, wenn es denn so gedacht war. Wahrscheinlich hat er nur die Gunst der Stunde genutzt. Die Top Favoriten haben sich doch ziemlich lange belauert, gelegentlich sogar Entspannungsübungen der Oberarme praktiziert. Und die deutschen Fans hatten wohl während des Rennens eher mit Tobi Angerer gerechnet, der ja uch immer vorne mit dabei war und einen starken Eindruck machte.

    Daß ein Petter Northug im Schlußsport kaum zu schlagen sein wird, war wohl vorher klar und keine Überraschung. Daß es dann aber doch so spannend und sogar ein bischen knapp wurde... Tolles Rennen auch von Tobias Angerer.