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Siemens läßt schnüffeln

■ Der Elektrokonzern läßt Tausende Mitarbeiter vom staatlichen Sicherheitsdienst überprüfen / Angeblich auf besonderen Wunsch der Bundespost

Berlin/München (taz) - Auf Bitten der Bundespost soll die Siemens AG Mitarbeiter ihres Unternehmensbereiches Nachrichten– und Sicherheitstechnik per Regelanfrage beim Verfassungsschutz überprüfen. Dies berichtet metall, die Mitgliederzeitschrift der IG Metall. Der Unternehmensbereich Nachrichten– und Sicherheitstechnik bei Siemens ist mit rund 8.000 Mitarbeitern auch auf dem Geschäftsfeld der sogenannten öffentlichen Vermittlungstechnik tätig. Es handelt sich hauptsäch lich um Vermittlungsämter, die an die Bundespost, aber auch an ausländische Fernmeldeverwaltungen geliefert werden. Laut metall werden alle 8.000 Mitarbeiter bei Neueinstellungen oder Versetzungen überprüft. Der taz bestätigte der Sprecher des Siemens–Unternehmensbereiches, Peter von Schau, diese Praxis. „Sicherheitstechnische Aspekte können dazu führen, daß sich der Verfassungsschutz Leute, die Vermittlungstechnik entwickeln, von der Verfassungsschutzseite her ansieht.“ Was nun bei einem Fernmeldevermittlungsamt so sicherheitsrelevant ist, daß der Verfassungsschutz aktiv werden muß, wußte von Schau auch: „die Software“. Sie sei hochsensibel und man müsse hier besonders aufpassen, damit nicht irgendjemand durch Manipulationen der Software herausfinde, wer wann mit wem telefoniere.“ Forsetzung Seite 2 Kommentar Seite 4 Die Frage, warum im Privatunternehmen Siemens dies nicht über die Produktsicherung und die Qualitätskontrolle im Hause, sondern über das Staatsorgan Verfassungsschutz laufe, konnte der Siemenssprecher nicht beantworten. metall berichtet weiter, daß sogar Sekretärinnen in diesem Unternehmensbereich eine „Einverständniserklärung“ unterschreiben müßten, mit der sie Anfragen bei Sicherheitsbehörden gestatteten. Auch beim Bayerischen Verfassungsschutz hat metall eine Bestätigung dieser Anfragen des Elektro–Riesen erhalten, ohne daß dieser genauere Angaben über die Zahlen machen wollte. Zwar liegen der IG Metall keine Beweise über ähnliche Überwachungsmaßnahmen in anderen Unternehmen vor. Die Begründung „Datenschutz“ läßt aber den Schluß zu, daß auch andere Firmen des Fernmeldebereichs (SEL, Bosch) betroffen sein könnten. Ende der 70er Jahre hatte metall die pauschale Überwachungspraxis in vielen Firmen aufgedeckt. Damals wurde sie pauschal für die gesamte Belegschaft gehandhabt, auch wenn nur ein kleiner Bruchteil in sicherheitsrelevanten Bereichen eingesetzt waren. Der damalige Innenminister Gerhard Baum hatte seinerzeit die öffentliche Zusage gegeben, in Zukunft Überprüfungen auf die „sicherheitsrelevanten Bereiche“ zu beschränken.

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