Sieben Jahre nach BSE: Wieder Tierfett ins Tierfutter
Die Koalition will Tierfette, die als Auslöser für den Rinderwahnsinn gelten, wieder als Futter zulassen. Die Opposition findet das "eklig und gefährlich".
BERLIN taz Als der Rinderwahnsinn die Republik erschütterte, die Kühe verrückt wurden und die Menschen auch, war eins klar: das Futter der Tiere muss besser überwacht werden. Denn viele Infektionen gingen, so vermuten die Experten, vom Trog aus. So setzten Futtermittelhersteller etwa der Ersatzmilch für Kälber tierische Fette zu - gewonnen aus den Schädeln von Rinderkadavern. Das wurde dann verboten. Doch nun ist BSE fast gegessen, 2007 gab es nur noch vier BSE-Fälle - und die Koalition will das Verbot kippen.
Am Mittwoch dieser Woche wollen Union und SPD einen Antrag zur Änderung des Lebens- und Futtermittelgesetzbuches in den Agrarausschuss des Bundestags einbringen. Der Antrag liegt der taz vor. Demnach sollen Rinder zunächst zwar noch keine tierischen Fette zum Fressen bekommen dürfen, Schweine und Hühner aber schon. Ulrike Höfken, grüne Verbraucherpolitikerin, ist empört. "Das ist nicht nur eklig, sondern auch gefährlich", meint sie. "Risikomaterialien werden in die Lebensmittelkette eingespült." Dabei sei die Fleischbranche schon in Verruf. Höfken: "Da landen selbst im Döner Abfälle".
In Tierfetten stecken unappetitliche Reste vom Schlachten. Schweinepfötchen oder Ohren - das alles lässt sich nicht verkaufen. Also landen die Abfälle zusammen in einem großen Topf und werden in einem Sud gekocht. Die Fette, die dabei entstehen, mischen die Futterhersteller in ihre Produkte. Schweine fressen kein pures Aas. Die Bauern aber geben ihnen die Fette, weil sie Energie binden. Und für das Fett-Futter zahlen die Landwirte weniger als etwa für Palmöl. Die pflanzliche Kraftnahrung ist teuer geworden.
Natürlich sei es "gut", Palmöl zu sparen, meint Matthias Wolfschmidt von der Verbraucherorganisation Foodwatch. Denn um den Bedarf an Palmöl auf Höfen und Farmen weltweit zu decken, werden mittlerweile schützenswerte Regenwälder abgeholzt. "Im Prinzip", so sagt Wolfschmidt, sei er also dafür tierische Fette als Futter zu erlauben. Doch stellt er eine Bedingung: "Es darf kein Kannibalismus gefördert werden." Dieser sei ethisch "bedenklich".
Im Klartext: Wolfschmidt, er ist Tierarzt, will nicht, dass Schweinefett an Schweine oder Hühner-Reste an Hühner verfüttert werden. Derzeit lasse sich dies aber nicht garantieren, meint er -"Die Kontrollen sind viel zu lasch." So findet auch er es "falsch" und "zu früh", das Verbot aufzuheben.
Wissenschaftlern macht noch etwas anderes Sorgen bei der - wie sie sagen - "Intraspezies-Fütterung". Elke Reinking vom Friedrich-Löffler-Institut für Tiergesundheit auf der Ostseeinsel Riems erklärt: "Es ist zwar nicht bewiesen, doch einiges spricht dafür, dass die Übertragung von Krankheiten gefördert wird." Und auch sie meint, es sei zu aufwändig zu kontrollieren, welche Tierreste in welchem Fett und auf welchem Hof landen. Darum sagt sie: Die Verfütterung von Tierfetten "sollte vermieden werden".
Michael Lohse vom Deutschen Bauernverband teilt die Bedenken allerdings nicht. In anderen Europäischen Ländern sind Tierfette für Schweine und Geflügel und selbst fürs Rind schon längst wieder zugelassen. "Das ist ein klarer Wettbewerbsnachteil für die deutschen Bauern", beklagt Lohse. Er hält es für "sinnvoll", das Verbot aufzuheben, Gefahren sieht er keine.
Die Agrarlobby übe einen enormen Druck aus, meint die grüne Höfken - auch auf Brüssel. Die EU-Kommission plane nach Informationen der Grünen im Herbst auch das europaweite Tiermehl-Verbot aufzuheben - und es den Mitgliedstaaten zu überlassen, ob sie es noch aufrechterhalten wollen. Tiermehl wird aus Schlachtresten wie Federn, Haut und Knochen hergestellt. Es gilt seit dem BSE-Skandal wie das Tierfett als möglicher Auslöser für die Seuchenverbreitung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht