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Sicherungsverwahrte protestierenAnzeige gegen Ministeriumssprecher

Einer der Hungerstreikenden der Justizvollzugsanstalt Celle zeigt den Sprecher des niedersächsischen Justizministers an. Der hatte gesagt, die Insassen verlangten Prostituierte und Alkohol.

Niedersachsens Justizminister Bernd Busemann (CDU) in der JVA Celle: Sein Sprecher hat jetzt eine Anzeige am Hals. Bild: dpa

HAMBURG | taz Der Konflikt zwischen den fünf hungerstreikenden Sicherungsverwahrten in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Celle und dem niedersächsischen Justizministerium spitzt sich zu: Der Strafgefangene Robert B. hat nun gegen den Sprecher von Justizminister Bernd Busemann (CDU), Georg Weßling, Strafantrag wegen bewusster Falschaussage und Volksverhetzung gestellt.

Weßling hatte behauptet, den Hungerstreikenden ginge es bei ihrer Aktion vor allem um den ungestörten Besuch von Prostituierten, Zugang zu Pornografie-Plattformen im Internet und Pay TV-Kanälen sowie den Konsum von Alkohol. "Man muss die Sexualtäter ja nicht noch extra heiß machen", hatte Weßling der taz gesagt.

Damit habe er bewusst den Hungerstreik diskreditieren wollen, sagt der Strafgefangene Robert B. Auch Justizminister Busemann hatte die Forderung nach Alkohol und Internetzugang Anfang August in Hannover vor Journalisten erwähnt, um sie vermutlich als unvertretbar ablehnen zu können.

"Es stellt sich die Frage, ob hier gezielt versucht worden ist, den Hungerstreik in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen", sagte der grüne Landtagsabgeordnete Helge Limburg. Dieser Eindruck werde auch dadurch verstärkt, dass sich das Ministerium weigert, einen direkten Kontakt der Sicherungsverwahrten mit MedienvertreterInnen zuzulassen.

Dabei war es den Gefangen in ihrem einen Monat vor dem Hungerstreik aufgestellten 25-Punkte-Forderungskatalog vor allem um einen Sportraum, bessere Freizeitmöglichkeiten auf der Station, Pay-TV Arena und Premiere, freie Arztwahl und Automaten-Einkaufsmöglichkeiten auf der Station sowie Rentenvorsorge gegangen.

Sicherungsverwahrung

Die Sicherungsverwahrung kann nach Verbüßung einer Strafhaft angeordnet werden, wenn der Täter weiterhin als gefährlich oder rückfällig gilt.

Gerügt hat der Europäische Gerichtshof für Menschrechte die deutsche Praxis des jahrelangen Wegsperrens ohne Therapie und Vorbereitungen für eine Resozialisierung.

Umgesetzt hat das Bundesverfassungsgericht die europäische Rüge im Mai dieses Jahres. Ab 2013 müssen Sicherheitsverwahrte unter allgemeinen Lebensbedingungen abgetrennt von Strafgefangenen untergebracht werden.

Weßling sieht der Anzeige gelassen entgegen. "Nicht aus jeder Anzeige wird ein Ermittlungsverfahren", sagte er am Freitag der taz. "Ich will mich inhaltlich gar nicht zu der Anzeige äußern". Weßling räumte ein, dass die vom ihm gemachten Äußerungen nur auf mündliche Informationen der Anstaltsleitung beruhten. "Dem Hungerstreik sind ja viele Gespräche mit den Justizvollzugsbeamten vorangegangen", sagte Weßling. Überhaupt halte er den Hungerstreik für völlig überflüssig. "Wir setzen das um, was das Bundesverfassungsgericht vorgibt", sagte er.

Weßling verweist erneut darauf, dass die Anpassung der Lebensbedingungen der Sicherungsverwahrten - wie vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben - einige Zeit dauere. Das Gericht habe daher eine Übergangsfrist bis 2013 gewährt. Bis dahin baue man eine neue Anstalt in Rosdorf bei Göttingen. "Dort wird es dann auch einen eigenen Sportraum für die Sicherungsverwahrten geben", sagte Weßling. Auch die Gesetzgebungen, die zur Umsetzung der neuen Lebensbedingungen notwendig sind und die bislang noch nicht existieren, werden bis dahin verabschiedet sein.

Im Mai hatte das Bundesverfassungsgericht alle gesetzlichen Bestimmungen zur Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärt. Moniert wurde vor allem, dass sich die Verwahrung kaum von der vorherigen Strafhaft unterscheide, obwohl es bei der Verwahrung nur noch um den Schutz der Allgemeinheit gehe und nicht mehr um Strafe. Die Richter forderten, das Leben in der Sicherungsverwahrung bis 2013 "den allgemeinen Lebensbedingungen anzupassen, soweit Sicherheitsbelange dem nicht entgegenstehen."

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