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Sexismus im EishockeyBoykott von Spiel der Eisbärinnen

Für einen Zuschauerrekord lassen die Eisbären Berlin ihr Frauenteam am Samstag in die große Halle. Warum die Fanszene sich trotzdem nicht freuen kann.

Erstklassig, aber ­Amateure: Die Eisbärinnen bejubeln einen Treffer Foto: Hafner/imago

„Egal wo du auch spielst, sind wir mit dabei, unsere Fahnen wehen nur für Blau-Rot-Weiß.“ Mit diesem Fangesang feuert das Else Jahn Kurvenkollektiv, die einzige aktive Fanszene im Fraueneishockey in Deutschland, das Team der Eisbären Berlin an Spieltagen der Frauen Eishockey Bundesliga an. Wenn die Eisbärinnen am Samstag um 15 Uhr in Berlins größter Multifunktionshalle im Stadtteil Friedrichshain auf die Mad Dogs Mannheim treffen, wird die aktive Fanszene jedoch nicht mit dabei sein. Nach längeren Überlegungen hat das Kollektiv beschlossen, das als Eventspieltag zur Förderung des Fraueneishockeys vermarktete Spiel zu boykottieren.

Als letzte Saison erstmals ein Spiel des Frauenteams in der Uber Arena ausgetragen wurde, zeigte das Else Jahn Kurvenkollektiv ein Spruchband mit der Aufschrift „Anschutz & Co enteignen“. Die Besitzer des Männerprofiteams waren gemeint. Auf Bitte des Vereins haben die Fans das Spruchband wieder heruntergenommen. Ein weiteres Transparent mit der Aufschrift „Oma, Opa und Hans-Peter keine Opfer, sondern Täter. Antisemitismus bekämpfen“ wurde vom Sicherheitsdienst der Arena heruntergerissen, wobei einige Fans leicht verletzt wurden.

„Ich verstehe nicht, warum der Verein homophobe und sexistische Gesänge zulässt, Transparente gegen Antisemitismus jedoch nicht“, empört sich Matthias, Mitglied des Else Jahn Kurvenkollektiv. Auf Nachfrage der taz bedauern die Eisbären Berlin den Vorfall und entschuldigen sich bei den Betroffenen.

Die Geschehnisse des vergangenen Jahres haben das Else Jahn Kollektiv letztlich dazu bewogen, am Samstag nicht in die Arena zu gehen und stattdessen das Spiel gemeinsam im Stream anzuschauen. Matthias ist seit der Gründung 2020 Mitglied des nach einer kommunistischen Widerstandskämpferin gegen das NS-Regime benannten Fankollektivs. Zuvor hat er sich jahrelang bei Black Corner, einer Ultragruppe des Männerteams engagiert.

Krasse Unterschiede

Angesichts der zunehmenden Kommerzialisierung des Sports sowie Konflikten mit der Vereinsführung und anderen Fangruppen hat er sich mit einigen Mit­strei­te­r*in­nen entschieden, dem Männerteam im Friedrichshain den Rücken zu kehren und im Wellblechpalast in Hohenschönhausen die Frauen anzu­feuern. Das Else Jahn Kurvenkollektiv ist eine linke, antifaschistische Fangruppierung.

Neben der Unterstützung des Teams setzt es sich für eine bessere Finanzierung des Frauensports ein. Wie in den meisten anderen Sportarten geht die finanzielle Schere zwischen Männer- und Frauensport im Eishockey weit auseinander. Die kulturell und historisch bedingten ungleichen Verhältnisse machen es dem Frauenleistungssport bis heute schwer, auch nur annähernd ähnliche Voraussetzungen wie bei den Männern zu schaffen.

Auch bei den Eisbären könnten die Unterschiede kaum größer sein. Das Profiteam der Männer wurde 1994 als GmbH aus dem Stammverein, den Eisbären Juniors, ausgegliedert und gehört dem US-amerikanischen Ölunternehmer und Milliardär Philip Anschutz, dessen Unterhaltungsunternehmen Anschutz Entertainment Group (AEG) auch Eigentümer der Berliner Arena sowie weiterer Multifunktionsarenen und Sportteams weltweit ist.

Die ebenfalls erstklassig spielenden Eisbärinnen dagegen sind Amateure, müssen Vollzeit lohnarbeiten. Erst im letzten Jahr ermöglichte eine Spendenaktion des Else Jahn Kurvenkollektivs die Anstellung eines Physiotherapeuten für das Frauenteam. Laut Eisbären Berlin gibt es einen Fördervertrag zwischen der GmbH und dem e. V., mit dem die Profimannschaft die Frauen- und die Jugendabteilung unterstützt. Über die Höhe des Fördervertrags geben die Eisbären auf Anfrage keine Auskunft.

Das Spiel am Samstag wird als Maßnahme zur Förderung des Fraueneishockeys vermarktet. Alle Tickets für das Spiel des Männerteams sind auch für Spiel der Frauen gültig. Pro verkaufter Eintrittskarte wird 1 Euro an das Frauenteam gespendet. Gemessen an den Ticketpreisen ist den Machern des Männerteam die Unterstützung der Frauen demnach im billigen Preissegment etwa ein Zwanzigstel und im teuren ein Hundertstel wert.

Das wohl wichtigere Ziel ist es, einen Zu­schaue­r*in­nen­re­kord für ein Fraueneishockeyspiel in Deutschland aufzustellen. Zu brechen ist eine Marke von vergangenem März beim Zweitligaspiel zwischen den Hannover Indians und den Kölner Haien, als 4.036 Zu­schaue­r*in­nen gezählt wurden.

Matthias hält die hehren Ankündigungen für unglaubwürdig. Für ihn handelt es sich um eine Showveranstaltung, die vor allem der Vereinsführung dazu dient, sich in positivem Licht darzustellen. „An der weiterhin miserablen finanziellen und infrastrukturellen Situation der Frauen ändert sich durch das Spiel nichts.“

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