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Sex-Objekt

■ Kolonialgeschichte, Körper-Geschichte, Komik: „Junge Hunde“ aus Manchester

„I wanna be a sex object“, träufelt sie zart ins Mikrofon, die kleine, scheue Frau auf der Bühne. Wir glauben es ihr. Im nächsten Moment wird ihre Miene ernst, und sie spricht laut und gebieterisch: „I do not want to be a sex object!“ Und auch das glauben wir ihr. Julia Eaton hat ihr Publikum längst fest in der Hand. Immer wieder enttäuscht sie die Erwartung der Zuschauer, zerbricht den Rahmen des angekündigten Auftritts, der dann doch nicht stattfindet, und erobert im nächsten Zug alle Herzen, indem sie das Publikum ihre – perfekt gespielte – Hilflosigkeit spüren läßt. In ihrer One-woman-show umspielt sie den klassischen Themenbereich Frau-Objekt-Körper.

Die Spielweise und auch die Themen der im Rahmen der Jungen Hunde auf Kampnagel dargebotenen Stücke des Greenroom-Theaters Made in Manchester verliefen unspektakulär und leise. Die Darsteller griffen auf uralte, einfache Theatermittel zurück. Rasend komisch: Ein Clown-Duo illustrierte die traurige Geschichte vom armen Jean, dessen Geliebte, dargestellt durch eine Tomate, vom (Spielzeug-)LKW überrollt wird.

Geschichts-Aufarbeitung aus britischer Sicht präsentierte die schwarze Performance-Dichterin SuAndi. In der Tradition eines „Story-teller“ erzählt sie in rhythmischem Sing-Sang vom Fund eines Spielzeug-Sklavenschiffes. Während sie den perforierten Bilderbogen auseinanderklappt, ziehen auf der Leinwand hinter ihr die schwarzen Sklaven geometrisch geschichtet vorüber. Und wann, so fragt SuAndis ruhige Stimme, kommt der KZ-Bilderbogen auf den Markt?

Die beste Tanzdarbietung war „Whiteman Blue Eyes“ von Mike Mayhew, eine Darstellung des weißen gewalttätigen Mannes als (selbst-)zerfleischender Boxer im Ring. Ein Mikrofon mit Kabel ins Gesicht geklebt verstärkte die Atemgeräusche des Tänzers, der wie eine Frankenstein-Inkarnation anmutete und durch seine Atem-Ur-Laute Angst und Schrecken verbreitete. „Hit me!“ schrie er wieder und wieder und fiel, vom unsichtbaren Gegner geschlagen, kopfüber rückwärts. Das Schlußwort des Theweleitschen kriegerischen Kind-Mannes, der sich an nichts erinnern will: „Forgive me Father, for I have sinned, for I remember nothing, and so I regret nothing“.

Gabriele Wittmann

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