: „Serving mankind“ — Iraks ABC-Arsenal made in Germany
■ Biologische und chemische Waffen besitzt der Irak mit Sicherheit, Spaltmaterial für die Atombombe vielleicht/ Saddams „Problem“ sind die Trägersysteme
Atomwaffen:
Obwohl der Irak 1972 den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet hat, werkeln Saddam Husseins Atomklempner nach einhelliger Ansicht internationaler Experten seit einigen Jahren an einem geheimen Programm zur Herstellung waffenfähigen Spaltmaterials. Seit Jahren sind immer wieder Versuche des Irak bekannt geworden, sich über den Schwarzmarkt — auch bei deutschen Firmen — mit Komponenten und Know-how für die Hochanreicherung von Uran einzudecken. Trotz aller Bemühungen scheint der Irak jedoch von der Eigenproduktion bombenfähigen Urans noch mindestens fünf bis zehn Jahre entfernt.
Nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, daß sich Iraks Atomingenieure auf dem Schwarzmarkt bereits mit ausreichend nuklearem Bombenstoff für eine „schmutzige“ Primitivbombe eingedeckt haben. In diesem Zusammenhang wird in Fachartikeln immer wieder auf jene 12,5 Kilogramm hochangereichertes Uran hingewiesen, die Frankreich dem Irak offiziell für einen zivilen Forschungsreaktor lieferte. Die Internationale Atomenergie-Behörde (IAEA) in Wien will allerdings bisher keine Anzeichen gefunden haben, daß von diesem Stoff etwas für militärische Zwecke abgezweigt wurde.
Chemische Kampfstoffe:
„Made in Germany“ — das fragwürdige Gütesiegel läßt sich den gesamten irakischen Giftgaskapazitäten aufdrücken: Als Keimzelle des irakischen Giftgasprogrammes gilt das Forschungs- und Produktionszentrum Samarra. Es wurde seit etwa 1981 vorwiegend von der hessischen Firma Karl Kolb und deren Tochterunternehmen Pilot Plant beliefert und ausgerüstet. Offizieller Werbeslogan der Karl Kolb GmbH: Serving mankind by serving science. Seit mindestens drei Jahren werden in Samarra die Kampfstoffe Tabun, Senfgas und Blausäure hergestellt.
Um von ausländischen Lieferanten unabhängig zu werden, wollen Iraks Giftgasmischer diverse Ausgangsprodukte ab 1991 in einer neuen Chemiefabrik bei Falluja gewinnen, teilweise aus Substanzen, die ohnehin in der Petrochemie des Landes anfallen. Die Hamburger Firma Water Engineering Trading (WET) lieferte ab 1986 eine komplette Chemiefabrik nach Falluja.
Wenn auch die Zahlen je nach Quelle schwanken: Nach Schätzung von UNO-Experten verfügt der Irak dank deutscher Hilfe heute über die umfangreichsten Kampfgasvorräte der Dritten Welt.
Biologische Kampfstoffe:
Auch bei der Erforschung und Produktion biologischer Kampfstoffe gingen dem Irak deutsche Techno- Söldner zur Hand. Teilweise tauchen hier die gleichen Firmennamen wie bei der Lieferung der Giftgastechnologie auf. So soll die Hamburger WET auch Brutschränke und Nährböden für Bakterienstämme geliefert haben. Auch die hessische Firma Labsco will, ebenso wie WET, lediglich einen irakischen Pestizid-Hersteller mit Bio-High-Tech beliefert haben; seltsamerweise findet sich auf Fernschreiben immer wieder das Absenderkürzel „MILDEF“ — das Verteidigungsministerium in Bagdad. Als Standorte der B-Waffenlabors, in denen mit Erregerstämmen für Milzbrand, Typhus, Pest und Cholera experimentiert wird, haben Geheimdienste die Orte Salman Pak, südöstlich von Bagdad, sowie Samarra, rund 100 km nördlich von Bagdad ausgemacht. Das dortige B-Waffen-Labor soll sich direkt neben der Giftgasanlage der Karl Kolb GmbH befinden.
Trägersysteme:
Entscheidend für den Einsatz von ABC-Massenvernichtungsmitteln ist neben der Verfügung über die atomaren, biologischen oder chemischen Kampfstoffe der Besitz geeigneter Trägerwaffen. Die eigentlichen Chemiewaffen wurden größtenteils im Rüstungszentrum SAAD 16 bei Mosul entwickelt und gebaut — auch hier unter deutscher Federführung: Die Bielefelder Firma Gildemeister Projecta wird in einem internen irakischen Vertrags-Diagramm als „Main Contractor“ (Generalunternehmer) für den Bereich Technology aufgeführt.
In SAAD 16 wurden auch die veralteten sowjetischen Mittelstreckenraketen vom Typ Scud-B (300 km Reichweite) in zwei Schritten hochgezüchtet: zunächst zur „Al Hussein“ (600 km), später zur „Al Abbas“ (800 bis 900 km; Angaben nach Janes's Defense/London). Ganz oben auf der Liste der deutschen Helfer bei der Scud-Reichweitenverlängerung rangiert die Havert Consult Project Engineering in Neu-Isenburg, aus deren Geschäftsräumen Zollfahnder vorletzte Woche gleich kartonweise Konstruktionsunterlagen abschleppten.
Nach Ansicht internationaler Militärexperten verfügt der Irak sowohl über mehrere hundert Artilleriegeschütze und Kurzstreckenraketen, mit denen Kampfgas verschossen werden könnte, als auch über die entsprechenden Anlagen für die Herstellung und das Abfüllen der entsprechenden Spezialgranaten. So soll die WET die Giftgasfabrik in Samarra mit einer Abfüllstation und einer speziellen Rohrverschraubungsanlage (zum Verschließen der Granaten) ausgerüstet haben. Laut 'Spiegel‘ wurden in Samarra schon „Zehntausende“ von Artilleriegeschossen und Kurzstreckenraketen mit Kampfgas abgefüllt.
Unterschiedliche Einschätzungen kursieren über die Fähigkeit des Irak, auch seine berüchtigten Scud- B-Mittelstreckenraketen mit chemischen oder bakteriologischen Gefechtsköpfen zu bestücken. Der 'Spiegel‘ gibt in seiner gestrigen Ausgabe „neue Ermittlungsergebnisse“ in Bonn wieder, wonach in den Irak bislang zwar Abfüllanlagen für kleinere Kaliber, nicht aber für die größeren Scud-B-Gefechtsköpfe geliefert worden sein sollen. Dies könnte eine Erklärung dafür sein, daß Israel bisher von deutschem Giftgas verschont blieb, die Bedrohung für die alliierten Bodentruppen jedoch um so größer ist. Thomas Scheuer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen